Sommerloch
Irgendwie war ich
immer der Meinung, dass das Sommerloch tatsächlich existiert. Im
August haben fast alle Ferien, der Bundestag hat Pause, und generell
hängen sämtliche Menschen, die sonst das ganze Jahr über
Schlagzeilen, Chaos, Verwirrung und hin und wieder auch Erfreuliches
produzieren, gemütlich friedlich am Strand ihrer Wahl. Sonne auf den
Bauch, Caipi in der Hand – da muss die Welt einfach mal warten.
Folglich gibt es nichts spannendes zu berichten, und so kann eine
Kuh, deren Fleckenmuster sich von den anderen der Herde
unterscheidet, plötzlich zum Medienstar werden. (Hoffentlich) nie
passiert, aber ihr versteht, was ich meine. Sommerloch, zeitlich und
inhaltlich fest definiert.
Nun sitze ich hier
Ende Juni in meinem eigenen, ganz persönlichen Sommerloch. Die Tage
fließen dahin wie zähflüssiger Teer. Jede Bewegung fühlt sich
doppelt so anstrengend an. Man steht sofort im eigenen Saft. Das
Gehirn arbeitet langsamer als mein alter 286er kurz vor der
Überhitzung. Kurzum: keine gute Zeit, um aus den Notizen, Entwürfen
und Stichpunkten vernünftige, lesbare Artikel zu machen. Ich ahne,
dass es der schreibenden Zunft ganz recht ist, dass im Hochsommer
alle Urlaub haben. So kann man den Mangel an spannendem Material
einfach gut erklären und muss nicht zugeben, dass man geistig knapp
knapp noch in der Lage ist, seinen Einkaufszettel zu schreiben.
Sommerloch ist eine Ausrede, um seine Birne den Außentemperaturen
entsprechend so gering wie möglich zu belasten. Dumm nur, wenn der
Sommer vor dem Urlaub kommt. Aber immerhin hat man so auch wenigstens
eine kleine Ausrede für manch verbalen Aussetzer, wie manche in der
Politik oder in den Medien aktiven Personen sie in letzter Zeit vom
Stapel gelassen haben.
Egal. Außer über
die Hitze zu meckern, darüber zu flennen, dass meine Festivals
schon wieder verschoben wurden oder mich echauffieren, dass Streams
einfach kein Ersatz für Live Musik sind – beides letzte Woche
schon getan – beschäftige ich mich tatsächlich immer noch mit
Musik. Da bin ich gerade wieder auf meinem Power\ Speed Metal Trip,
wie eigentlich jedes Jahr um die Zeit. Da kommt es passend, dass
Helloween wieder mal mit einer neuen Scheibe um die Ecke kommen. Da
ein Sänger nicht genug ist, holt man einfach zwei Neue dazu. Also,
Neue Alte. Hansen und Kiske lassen die Augen vieler Silberrücken
feucht schimmern, und schon geistern verheißungsvolle Worte wie
„Meisterwerk“ und „würdig“ durch das Netz. Zugegeben,
Helloween waren mir schon immer Schnuppe. Um zu den Kiske\Hansen
Hardlinern zu gehören, bin ich zu jung. Warum man nach über 20ig
Jahren immer noch verächtlich über den „Neuen“ am Mikro
spricht, ist mir ein Rätsel. Was Helloween aktuell abliefern, fand
ich immer als solide. Nicht mehr, und nicht weniger. Aber so geht es
mir mit den alten Sachen auch. Ich bin der Meinung, dass Helloween
ihren Legenden Status nicht allein durch ihre kompositorischen und
spielerischen Fähigkeiten inne haben. Vielmehr halte ich es eher für
den klassischen Fall von „zur rechten Zeit, am Rechten Ort“.
Anders ausgedrückt: ich glaube nicht, dass das neue Album ein
legendärer Meilenstein nur durch die Rückkehr der alten Kürbisköpfe
wird. Ich erwarte ein solides, abwechslungsreiches Album, das
mindestens einen total Aussetzer und eine geniale Nummer hat.
Dazwischen jede Menge solides Füllmaterial. Füllmaterial, für dass
sich zugegebenermaßen viele andere ein Bein ausreißen würden.
Warum ich trotzdem ein Ohr riskieren werde? Zu einem ist da der
äußere Eindruck: im Gegensatz zu dem fürchterlichen Paint
verbrechen auf der Keepers 3 ziert ein wirklich schön und liebevoll
gestaltetes Cover die Vorderseite. Zum anderen bin ich eh gerade auf
dem Kniedel Trip. Die vorab Single fand ich erstaunlich frisch –
ich bin tatsächlich gespannt darauf.
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