Freitag, 18. Juni 2021

Aus dem Nähkästchen

 

Sommerloch


Irgendwie war ich immer der Meinung, dass das Sommerloch tatsächlich existiert. Im August haben fast alle Ferien, der Bundestag hat Pause, und generell hängen sämtliche Menschen, die sonst das ganze Jahr über Schlagzeilen, Chaos, Verwirrung und hin und wieder auch Erfreuliches produzieren, gemütlich friedlich am Strand ihrer Wahl. Sonne auf den Bauch, Caipi in der Hand – da muss die Welt einfach mal warten. Folglich gibt es nichts spannendes zu berichten, und so kann eine Kuh, deren Fleckenmuster sich von den anderen der Herde unterscheidet, plötzlich zum Medienstar werden. (Hoffentlich) nie passiert, aber ihr versteht, was ich meine. Sommerloch, zeitlich und inhaltlich fest definiert.

Nun sitze ich hier Ende Juni in meinem eigenen, ganz persönlichen Sommerloch. Die Tage fließen dahin wie zähflüssiger Teer. Jede Bewegung fühlt sich doppelt so anstrengend an. Man steht sofort im eigenen Saft. Das Gehirn arbeitet langsamer als mein alter 286er kurz vor der Überhitzung. Kurzum: keine gute Zeit, um aus den Notizen, Entwürfen und Stichpunkten vernünftige, lesbare Artikel zu machen. Ich ahne, dass es der schreibenden Zunft ganz recht ist, dass im Hochsommer alle Urlaub haben. So kann man den Mangel an spannendem Material einfach gut erklären und muss nicht zugeben, dass man geistig knapp knapp noch in der Lage ist, seinen Einkaufszettel zu schreiben. Sommerloch ist eine Ausrede, um seine Birne den Außentemperaturen entsprechend so gering wie möglich zu belasten. Dumm nur, wenn der Sommer vor dem Urlaub kommt. Aber immerhin hat man so auch wenigstens eine kleine Ausrede für manch verbalen Aussetzer, wie manche in der Politik oder in den Medien aktiven Personen sie in letzter Zeit vom Stapel gelassen haben.


Egal. Außer über die Hitze zu meckern, darüber zu flennen, dass meine Festivals schon wieder verschoben wurden oder mich echauffieren, dass Streams einfach kein Ersatz für Live Musik sind – beides letzte Woche schon getan – beschäftige ich mich tatsächlich immer noch mit Musik. Da bin ich gerade wieder auf meinem Power\ Speed Metal Trip, wie eigentlich jedes Jahr um die Zeit. Da kommt es passend, dass Helloween wieder mal mit einer neuen Scheibe um die Ecke kommen. Da ein Sänger nicht genug ist, holt man einfach zwei Neue dazu. Also, Neue Alte. Hansen und Kiske lassen die Augen vieler Silberrücken feucht schimmern, und schon geistern verheißungsvolle Worte wie „Meisterwerk“ und „würdig“ durch das Netz. Zugegeben, Helloween waren mir schon immer Schnuppe. Um zu den Kiske\Hansen Hardlinern zu gehören, bin ich zu jung. Warum man nach über 20ig Jahren immer noch verächtlich über den „Neuen“ am Mikro spricht, ist mir ein Rätsel. Was Helloween aktuell abliefern, fand ich immer als solide. Nicht mehr, und nicht weniger. Aber so geht es mir mit den alten Sachen auch. Ich bin der Meinung, dass Helloween ihren Legenden Status nicht allein durch ihre kompositorischen und spielerischen Fähigkeiten inne haben. Vielmehr halte ich es eher für den klassischen Fall von „zur rechten Zeit, am Rechten Ort“. Anders ausgedrückt: ich glaube nicht, dass das neue Album ein legendärer Meilenstein nur durch die Rückkehr der alten Kürbisköpfe wird. Ich erwarte ein solides, abwechslungsreiches Album, das mindestens einen total Aussetzer und eine geniale Nummer hat. Dazwischen jede Menge solides Füllmaterial. Füllmaterial, für dass sich zugegebenermaßen viele andere ein Bein ausreißen würden. Warum ich trotzdem ein Ohr riskieren werde? Zu einem ist da der äußere Eindruck: im Gegensatz zu dem fürchterlichen Paint verbrechen auf der Keepers 3 ziert ein wirklich schön und liebevoll gestaltetes Cover die Vorderseite. Zum anderen bin ich eh gerade auf dem Kniedel Trip. Die vorab Single fand ich erstaunlich frisch – ich bin tatsächlich gespannt darauf.

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