Brainstorm
Midnight Ghost
Irgendeine WG Party. Irgendwo in Baden. Irgendwann in den frühen 2010ern. Es sind nur noch wenige Gäste da. Neben mir sitzt ein Kerl mit Bandshirt. Er hat mich schon recht früh am Abend erspäht, und da ich der einzige mit langen Haaren auf der Party bin, hat er beschlossen, dass ich für den Abend sein neuer bester Freund bin. Der Vorteil: zum Bier holen muss ich nicht aufstehen. Der Nachteil: ich habe sonst kaum Gelegenheiten, mit irgendjemand sonst ein bisschen Smalltalk zu machen. Nun ja, Faulheit siegt. So sitze ich recht besoffen da, versuche ein konzentriertes Gesicht zu machen, so als ob es mich wirklich interessiert, mit welchen Bands er schon gesoffen hat oder welche Szene Größen ein Selfie mit ihm gemacht haben. Teures Bier.
Irgendwann kam dann die Sprache darauf, welches Subgenre man den so am liebsten hört. „Powermetal“, war meine ehrliche Antwort. Vor kurzem hatte ich Edguy und Freedom Call entdeckt und so meinen Spaß an dem, was die trven Leute als „Eierloses gekniedel bezeichnen“. Ich ahnte nicht, dass ich damit die Büchse der Pandora geöffnet habe. Die Augen meines Gegenüber begannen zu leuchten. Dann gings los. Eine endlose Tirade , die aus dem Satzteil „Kennst du“, Bandname, und „ist richtig geil“ bestand. Je länger die Liste wurde, umso mehr musste ich verneinen. Hatte ich damals doch gerade erst an der Spitze des Eisberges gekratzt. Er hingegen hat wohl den Eispickel genommen und ein tiefes Loch hinein gebuddelt. Je häufiger meine Antwort „Nein“ war, umso skeptischer wurde sein Blick. Irgendwann seufzte er, schaute mich an und sagte: „Weist du, so langsam glaube ich, du bist gar kein richtiger Metaler.“ Sprachs, stand auf, und ging. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Endlich konnte ich mich an der Party beteiligen. Ich schaute mich um. In einer Ecke lag jemand schnarchend rum, in einem Zimmer wurde gekichert, aus der Küche klang das klappern und scheppern, dass vom Aufräumen verursacht wurde. Party vorbei.
Nun ja, immerhin, ein Name aus der Liste hammergeiler Bands ist mir hängen geblieben: „Brainstorm“. Der wurde mir immer wieder von verschiedensten Leuten an den Kopf geworfen, wenn es um Powermetal ging. War wohl offensichtlich ein Unding, dass ich die nicht kannte. Zum Glück gab es kurz drauf ein kleines Festival, dessen Opener die Schwaben waren. Gelegenheit, mal zu schauen, was ich da verpasst hatte. Einiges, den der Gig war kurz, aber richtig gut. Wäre ich an dem Tag gleich zum Merchandise Stand gegangen, ich hätte mich wohl mit allem eingedeckt, was es gab. Hab ich aber aus irgendwelchen Gründen nicht, und so geriet die Band bei mir wieder in Vergessenheit. Bis ich beim Stöbern über das Debut gestolpert bin. Mit dem guten Konzert im Hinterkopf hab ich dass gekauft und gleich daheim eingelegt. Geiler, speediger Powermetal, mit ein paar richtig geilen Soli und schön ordentlich roh. Geil gefunden, raus genommen, vergessen. Das größte Problem an der Scheibe ist, dass einfach nichts Hängenbleiben will. Läuft es, finde ich es geil. Taucht ein Song in meiner Zufallswiedergabe auf, geht es sofort in den Nacken. Überlege ich aber, welche Powermetal Songs ich in eine kleine Playlist machen kann, fallen mir die Jungs nicht ein. Überlege ich mir, welches Album ich mal wieder am Stück hören will, ist die „Unholy“ nie dabei. An der Qualität wird es wohl kaum liegen. Ist wohl eher wieder ein Beispiel dafür, dass Mögen oder nicht Mögen von Musik auch hoch subjektiv ist.
Letztens war ich wieder mal stöbern. Dabei bin ich über die „Midnight Ghost“ gestolpert. Ich wollte sie eigentlich schon wieder weglegen. Die Neugier, ob die Band in den Jahren sich verändert hat, war dann doch größer. Die Antwort ist „Jein“. „Brainstorm“ spielen immer noch Power\Speedmetal . Die Unterschiede liegen im Detail. Zu einem ist der Sound etwas druckvoller und modern produziert – ist halt ein Kind seiner Zeit. Dennoch ist es kein klinischer Plastiksound. Auch die theatralischen Orchester Elemente sind gut gesetzt. Und das wichtigste: die Hooks sitzen endlich. Die Riesen Knaller sind für meinen Geschmack auch nicht drauf. Aber der ein oder andere Song bohrt sich doch in den Gehörgang und hält sich dort ernsthaft fest. Solide Songs, gute Musiker, ein druckvoller und doch etwas dreckiger Sound: diese Scheibe lässt mich dick grinsen. Das läuft tatsächlich ab und an mit voller Absicht. Und schürt die Vorfreude auf den kommenden Winter. Dort treten Brainstorm auf dem gleichen Festival wie 2012, als ich sie kennengelernt habe, auf.
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