Das Echo vom "Echo"
Ein Kommentar.
Es ist erst ein paar
Wochen her. Der „deutsche Grammy“, der „Echo“, sorgte für
einen handfesten Skandal. Ein Aufschrei der Empörung ging durch die
Medien. Entsetzen, Unverständnis und Ablehnung von allen Seiten.
Zunächst gaben vereinzelt Künstler ihre Preise zurück, schließlich
war es eine ganze Flut an verschmähten Trophäen. Offensichtlich war
dafür kein Platz in den Räumen der Verantwortlichen mehr. Der
„Echo“ ist Geschichte, und das Echo in den Medien weitestgehend
verstummt.
Zeit, mir darüber
ein paar Gedanken in aller Ruhe zu machen. Was genau hat den
Aufschrei ausgelöst? Ist die Abschaffung des „Echo“ wirklich
eine Lösung? Oder steckt das Problem ganz woanders?
Der „Echo“ war
ein Musikpreis der deutschen Plattenindustrie. Im Bereich Popmusik
orientierte sich dieser an den Verkaufszahlen, den offiziellen
Charts. Nominiert waren damit also Künstler, welche im laufenden
Jahr ordentlich CDs verkauft haben. So wie eben Farid Bang und
Kollegah. Deren Album „Jung, Brutal, Gut aussehend 3“ verkaufte
sich wie geschnitten Brot. Somit wurde es nominiert. Und hat den
„Echo“ gewonnen. Die Jury wies eindeutig auf die Problematik in
den Texten hin. Genauso eindeutig verwies sie aber auf das Recht der
künstlerischen Freiheit.
Dennoch: Die ganze
Medienlandschaft scheint aus allen Wolken gefallen sein. Plötzlich
wurde sich über die Brutalität der Texte echauffiert.
Frauenfeindlich, Gewalt verherrlichend, antisemitisch. Es wurde
gefragt, wie so etwas überhaupt nur nominiert werden konnte.
Ganz einfach. Der
„Echo“ bewertet nicht den Inhalt und die Qualität der Musik.
Hier wird alleine der Erfolg belohnt. Das Inhalt und eventuell
vorhandene Kontroversen wenig bis keine Rolle spielen, zeigte sich
schon 2016. Die umstrittene Band „Freiwild“ gewann ebenfalls
einen Echo. Textlich und musikalisch kommt das Ganze selten über
ausgetretene Onkelszitate und Plattitüden heraus. Einzig das Gespür
für gezielte Provokation sorgt dafür, dass die Band bei Fans,
Gegnern und den Medien immer wieder im Gespräch bleibt.
Und nun sind es eben
Kollegah und Farid Bang. Erstaunlich finde ich daran, dass die CD
wochenlang in den Charts ganz vorne dabei ist, ohne dass sich jemand
groß darüber aufregt. Die CD verkauft sich wie blöd. Um den Inhalt
scheint sich keiner zu kümmern. Vereinzelt hört man in den Medien
mal kritische Stimmen, aber trotz der hohen Verkaufszahlen und trotz
der fragwürdigen Texte dringt kaum etwas davon in die breite
Öffentlichkeit. Und jetzt, plötzlich, ist es ein Skandal. Das
stellt sich mir die Frage: hat keiner aus den Medien oder anderen
Teilen der Gesellschaft es für nötig gehalten, in Musik rein zu
hören, die sich so gut verkauft? Muss wirklich erst ein Skandal her,
damit sich Leute auch inhaltlich mit Musik beschäftigen? Und: hätte
sich ohne den „Echo“ überhaupt jemand dafür interessiert?
Provokation und das
spielen mit Tabus gehört zur Musik dazu. Gerade im Heavy Metal wird
von Anfang an mit allem gespielt, was der Gesellschaft Bauchweh
bereitet. Das verzerren Religiöser Symbole. Satanismus.
Verherrlichung von Krieg und Gewalt. Das Spiel mit NS Ästhetik. Der
Grat zwischen gekonnter Provokation und platter Dummheit ist schmal.
Sind das jetzt Künstler, die der Gesellschaft geschickt den Spiegel
vorhalten? Oder sind es nur dumme Idioten, die platt provozieren um
überhaupt irgendwie Aufmerksamkeit zu bekommen?
Das zu erkennen ist
nicht immer einfach. Man muss sich mit der Musik auseinandersetzen
und in der Lage sein, Gewisse Symbole und Floskeln richtig
einzuordnen. Und hier sind schließlich alle gefragt: Medien,
Schulen, Eltern. Sie alle stehen in der Verantwortung dafür, das
heranwachsende Menschen in der Lage sind, sich kritisch mit Kunst und
Musik auseinanderzusetzen. Das nicht blind konsumiert, sondern auch
hinterfragt wird.
Den das Problem ist
nicht, dass Farid Bang und Kollegah einen Preis gewonnen haben. Das
Problem ist, dass sich solche Musik überhaupt erst so gut verkauft.
Daran wird auch die Abschaffung des Echos nichts ändern. Im
Gegenteil. Erst der Echo schien überhaupt in der Lage zu sein, die
Öffentlichkeit auf das Problem aufmerksam zu machen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen