Donnerstag, 16. Mai 2019

Mein CD Regal


Nightwish

Once

 



Auch wenn ich eigentlich weiß, dass ich mich danach oder sogar schon währenddessen nur über mich selber ärgern werde, weil ich mal wieder Zeit vergeudet habe, bin ich ein regelmäßiger Wiederholungstäter. Die beste Möglichkeit, mal für fünf Minuten das Gehirn auszuschalten und sich mit einer Fülle an Unsinn, Nichtigkeiten und der üblichen Brise Fremdschämen berieseln zu lassen. Youtube schauen. Ein Schelm, wer da an RTL 2 gedacht hat.

Zugegeben, meistens sind es mehr als nur fünf Minuten. Deutlich mehr. Und hin und wieder stolpert man ja auch über etwas Interessantes. Eine spannende Doku. Oder ein Musikvideo einer mir bis dahin unbekannten Band. Das ist aber relativ selten geworden, und inzwischen für mich kaum mehr als eine fadenscheinige Ausrede, um noch mehr Zeit zu verplempern. Es könnte ja was Tolles dabei sein!
Im Moment bombardiert mich Youtube mit einer weiteren Variante inhaltslosen Inhaltes: Reaction Videos. Das sind Videos, in denen man Menschen dabei zu sieht, wie sie Videos schauen. Beliebt dabei: Musikvideos von Bands, welche die Person bis dahin noch gar nicht kannte. Tja, ich weiß nicht was ich erschreckender finden soll: die unendliche Menge solcher Videos und die teilweisen doch echt erstaunlich hohen Klick zahlen. Oder die Tatsache, dass ich selber vor den Dingern hängen geblieben bin.
In Folge dessen habe ich nun einige Videos gesehen, auf denen Leute auf Nightwishs „Ghost Love Score“ vom Wacken 2013 reagieren. Die Reaktionen dabei sind meistens die gleichen: einer neutralen bis gelangweilten Miene beim Eröffnungsriff folgt ab dem ersten Ton der Sängerin ein wahres Fest an Gesichts Tourette. Ungläubige Mienen, spontane Freudenschreie und offene Münder.
Reaktionen, die „Once“ damals bei mir ganz genauso ausgelöst haben. Nur war keine Kamera dabei. Zum Glück. 

Nightwish waren damals für mich eine absolute Neuentdeckung. „Oceanborn“ und „Wishmaster“ liefen eigentlich jeden Tag. Dazu kam das Wissen, das meine Neuentdeckung in nur ein paar Wochen eine neue Scheibe auf den Markt bringen – ich war euphorisch wie ein verliebter Teenager. Gut, in gewisser Weiße war ich ein verliebter Teenager.
Also bin ich direkt am Erscheinungstag nach der Schule aufs Fahrrad gesprungen. Raus geradelt zum örtlichen Elektrofachmarkt. Den Discman dabei, mit einem frischen Satz Batterien gefüttert.
Das Ding gekauft und sofort weiter geradelt, an meinen Lieblingsplatz im Stadtgarten. Kopfhörer auf, Musik an. Von außen betrachtet dürfte ich einen ähnlichen Anblick wie die Youtuber bei ihren Reactions Videos geliefert haben. Ein wahres Feuerwerk an Gesichtstourette. Und spontanen Körperzappeleien. Zufällig vorbeikommende Spaziergänger dürften mich für komplett verrückt gehalten haben. Likes gab es dafür keine.
Ich weiß noch, dass ich gleich von der ersten Note an total begeistert war. Ich weiß aber auch, dass diese Euphorie nicht lange anhielt und ich recht schnell wieder zu den Vorgänger Alben zurück gegangen bin. Selbst die mir bis dato nur mittel prächtig gefallende „Century Child“ rotierte öfter in meinem CD Player.
Nachdem ich durch das gucken der Reaction Videos wieder auf „Once“ aufmerksam wurde und ich sie zum ersten mal seit längerer Zeit – nur so knapp 15 Jahre – komplett am Stück gehört habe, ist mir auch klar warum.

Das Album ist von vorne bis hinten auf Eingängigkeit ausgelegt. Die Band liefert ein sattes, metallisches Fundament. Das Orchester kleistert alles mit Bombast und Pathos zu. Eine richtig satte Produktion sorgt für den ordentlichen Druck. Einzelne Songs funktionieren so bestens. Der Opener „Dark Chest of Wonders“ ist bis heute einer meiner Lieblings Songs von Nightwish. Auf Albumlänge jedoch wirkt das ganze ermüdend. Keine Ecken, keine Kanten, welche das Ohr beim Hören bei Laune halten. Nichts, was wirklich heraus sticht. Mit zunehmender Laufzeit verkommt alles zu einem eintönigen Brei. Dazu kommen dann noch die beiden Totalausfälle „I wish I had an Angel“ und „Nemo“. Die ich in meiner Euphorie damals gefeiert habe. Heute sind sie Skip Tasten Kandidaten.
Unterm Strich bleibt ein für mich solides, aber doch irgendwie monotones Album. Andere Bands in diesem Genre würden sich für so ein Teil sicher einen Arm ausreißen, in der Nightwish Discografie ist es dennoch mein persönlicher Tiefpunkt.
Für die Band selber ist er das wohl nicht: mit „Once“ gelang damals der Schritt vom Szene Star zur ganz großen Pop Sensation.

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