Donnerstag, 26. März 2020

In eigener Sache


Sonnenschein. Die ersten warmen Tage im Jahr. Es blüht so langsam an allen Ecken und Enden. Ein fast perfekter Frühlingstart. Eigentlich. Leer gefegte Innenstädte, geschlossene Restaurants, Klopapier Mangel und eine allgemeine Verunsicherung: eine Geisterstimmung, die im krassen Gegensatz zum Frühlingsanfang steht.
Zugegeben, für mich ist es eigentlich nur ärgerlich. Die ersten Konzerte des Jahres wären jetzt angestanden, unter anderem, wie letzte Woche schon erwähnt, das Heidelberg Deathfest. Es wäre mein viertes Mal gewesen. Die Mischung aus kleinen Bands und Szene Größen, Juze Feeling und Konzert Erlebnis macht es für mich zu einem der ersten Highlights eines Jahres. Ein paar andere kleine Konzerte sind ebenfalls dem Virus zum Opfer gefallen. Und alles weitere steht in der Schwebe. Baden in Blut ist zwar erst im Sommer, aber es ist nicht gesagt das bis dahin alles wieder normal läuft. Ich rechne im Moment einfach mal mit dem Schlimmsten. Ärgerlich. Aber nicht mehr.

Für andere Leute jedoch ist das mehr als das: Bands, Veranstalter, Einzelhändler im Musikbereich, Techniker...die Liste der Berufe, die unter der Krise richtig leiden, ist viel zu lang um sie hier auch nur einigermaßen vollständig aufzuzählen. Kurzum: wenn dass Alles vorbei ist, und wir Alle wieder raus dürfen, müssen wir uns ernsthaft Sorgen machen, ob überhaupt noch jemand da ist, zu dem wir gehen können.
Also, was tun? Ich persönlich hab mir vorgenommen, das Geld, welches ich auf den Konzerten eh ausgegeben hätte – für Bier, Essen, Merch, mehr Bier – zur Seite zu legen. In den nächsten Tagen und Wochen werde ich ein bisschen durch den lokalen Untergrund stöbern. Mir schon bekannte Bands oder vielleicht auch was ganz Neues: es gibt immer genug zu entdecken. Ein schickes T Shirt für den Sommer, ein oder viele Cds, ein paar Patches und Buttons für meinen Festivalhut: ich bin mir sicher, dass ich ein paar nette Sachen finden werde.
Ansonsten heißt es an den Wochenenden Musik und Bier aus der Dose, anstatt Live und gezapft. Und hoffen, dass die Welt sich in ein paar Wochen wieder normal dreht.

Bleibt gesund. Bleibt daheim. Und entdeckt was Neues in der Zeit!

Donnerstag, 19. März 2020

Mein CD Regal


Fiddlers Green

Celebrate!

 

 


An diesem Dienstag war Sankt Patricks Day, der irische Nationalfeiertag, an dem an den Missionar der irischen Insel gedacht wird. Nun bin ich weder Ire, noch ein besonders aktiv überzeugt praktizierender Katholik. Der Paddys Day ist mir über die Jahre dennoch ans Herz gewachsen. Eigentlich steht an diesem Tag ein Besuch im Pub an, mit jeder Menge Ale, einem ordentlichen Sheppards Pie oder Stew und dem ein oder anderen Gläschen Whisky.
Eigentlich. Dieses Jahr war das aus bekannten Gründen nun mal nicht möglich. Also habe ich mir den Pub quasi nach Hause geholt. Gut, das Ale kam nicht aus Irland, sondern Mannheim. Der Whisky war ein angenehmer fünf Jahre Alter Single Malt. Aus dem Schwarzwald. Und die passende folkige Begleitmusik mit Fidel, Flöten und was es so braucht, nun, die kam aus Franken. Dennoch, an dem Abend habe ich mich herrlich Irisch gefühlt.

Eigentlich bin ich nicht der allergrößte Fan von Live CDs. Zum daheim in Ruhe Musik zu hören, ziehe ich die Studioaufnahmen vor. Komische Ansagen, ein zu lautes Publikum beim Mitsingen oder ein paar Verspieler mögen Live vor Ort zwar zur Stimmung gehören. Auf Platte finde ich das eher nervig. Bei Fiddlers Green jedoch verhält es sich genau andersherum. Hier ziehe ich die Live Aufnahme den Studioalben vor. Für den – wie es die Band selber nennt - „Irish Independent Speed Folk“ der Fiddlers ist die Live Atmosphäre einfach lebenswichtig. Und so sorgen die halblustigen Ansagen und das lautstarke Publikum dafür, dass der Schweiß und das Bier quasi aus den Boxen tropft. Die Pubatmosphäre an meinem „Paddy- daheim“ Tag war gerettet.

Nun, während ich hier diese Zeilen schreibe, ist mir aufgefallen dass ich das Jubiläums Album der Fiddlers schon einmal, ganz zu Anfang des Nähkästchens, vorgestellt habe. Also das ganze wieder löschen? Nein, ich habe beschlossen, einfach nochmal kurz auf dieses starke, gute Laune Live Album aufmerksam zu machen.

Den Rest der Zeilen möchte ich Nutzen, um kurz über die aktuelle Lage zu schreiben. Dass ich beim Paddys Day daheim bleiben musste, ist für mich persönlich Schade, aber im Angesicht der aktuellen Situation wirklich das aller kleinste Übel. Am kommenden Wochenende wäre das Heidelberg Death Fest auf dem Programm gestanden, normalerweise eins der ersten Highlights im Konzertjahr. Abgesagt. Dass ich nicht mehr raus kann in die Bar, ins Restaurant oder auf ein Konzert, nun für mich ist das ärgerlich. Aber mehr nicht.
Für alle, die davon leben, die dafür Sorgen dass wir in der Freizeit raus können, für die ist es mehr als dass. Besonders Veranstalter im Metalbereich kalkulieren oft hart am Limit und sind auf jede einzelne Veranstaltung angewiesen. Für Bands sind Konzerte lebensnotwendig. Für alle, die in diesem Bereich irgendwie ihre Brötchen verdienen, sind die kommenden Wochen und die Ungewissheit, wie es danach weitergeht, schlicht existenzbedrohend.
Deshalb habe ich beschlossen, meine bereits gekauften Ticket nicht zurückzugeben. Und weiterhin Karten im Vorverkauf zu kaufen. Außerdem werde ich die kommenden Tage die Online Shops der Bands, welche ich durch die Krise verpasse, nach Merch und CDs durchforsten. Das hätte ich vor Ort eh gemacht. Ansonsten kann man nur abwarten und sich an die Regeln halten. Damit die Krise schnell überstanden ist. Und am Ende noch genug Kulturschaffende übrig sind.

Donnerstag, 12. März 2020

Bücherkiste


Rüdiger Barth und Hauke Friederichs

Die Totengräber

Der letzte Winter der Weimarer Republik



Stöbern – nicht nur bei Musik stolpere ich so immer wieder über Dinge, die sonst wohl komplett an mir vorbeigegangen wären. „Die Totengräber“ lag in einem Buchladen, der ausschließlich Mängelexemplare und anderweitig reduzierte Artikel führt. Ein Laden, in dem man nichts gezielt sucht. Aber immer wieder etwas findet.
Winter 1932\33. Die Wirtschaftskrise hat Deutschland im Griff. Auf den Straßen toben Kämpfe zwischen Linken und Rechten. Und die Politik scheitert regelmäßig daran, so etwas wie Stabilität zu erzeugen. Franz von Papen ist Kanzler, hat aber weder im Parlament noch in der Bevölkerung den nötigen Rückhalt. Im Hintergrund schmieden die verschiedenen politischen Strömungen ihre Ränke. Alles schaut auf den Reichspräsidenten Hindenburg: er hat die Macht, Kanzler abzusetzen und zu ernennen. 


Auch wenn der Klappentext von die Totengräber sich wie ein politischer Thriller liest, handelt es sich hierbei keineswegs um einen Roman mit erfundenen Figuren und Handlungen. Rüdiger Barth und Hauke Friederichs benutzen Tagebücher, Zeitungen, Briefe und öffentliche Dokumente als Grundlage, um die letzten Tage der Weimarer Republik aus verschiedenen Blickwinkeln zu erzählen. Dabei folgt man keinem festen Erzählablauf. Vielmehr setzt sich jeder Tag aus Schnipseln und Erlebnissen verschiedener Personen zusammen. Hitler, Schleicher und Papen stehen zwar im Mittelpunkt, aber auch Autoren wie Abraham Plotkin und Redakteure wie Bella Fromm tauchen immer wieder auf. Anfangs ist das für mich etwas Verwirrend gewesen. Es wird viel hin und her gesprungen. Hier ein Treffen führender Politiker, da ein Spaziergang im Park, dort ein Besuch in der Oper. Das Alles wirkt Anfangs etwas fragmentarisch. Wenn man sich allerdings daran gewöhnt hat, ergibt sich ein beeindruckendes Stimmungsbild einer Republik zwischen Elend und Luxus.

Grundsätzlich gilt: es handelt es sich hier nicht um ein Sachbuch der klassischen Art, das uns mit Daten und Fakten durch die Ereignisse führt. Fußnotenfetischisten werden hier nicht glücklich.
Eine gewisse Grundkenntnis der Ereignisse 1932\33 und die Zustände in der Weimarer Republik sind durchaus von Nutzen. Eine kleine Chronik am Ende des Buches ist da hilfreich, wer sich noch nie mit dem Thema auseinandergesetzt hat, sollte diese vielleicht zuerst lesen.

Mir hat das Lesen sehr viel Spaß gemacht – für ein Sachbuch eine reife Leistung. Der Spagat zwischen Unterhaltung und Information gelingt hier relativ gut, es ist nie trocken oder zäh zu lesen. Es ist ein gelungenes Porträt der letzten Tage der ersten Demokratie auf deutschem Boden. Und deren Scheitern. Am Ende ahnt man ein bisschen, wie es damals gewesen sein muss. Eine Gesellschaft, gespalten zwischen Arm und Reich. Alltag und Chaos.
Wir alle haben in der Schule gelernt, dass die Republik gescheitert ist. Die Frage, die sich mir jedoch immer noch stellt, ist die nach dem warum. Die Totengräber liefert hier auch keine Antwort. Ich glaube nicht, dass es eine Frage ist, die jemals ganz beantwortet werden kann. Aber der etwas andere Blickwinkel und der Versuch, die Stimmung dieser Zeit einzufangen, fügen ein weiteres, wichtiges Teil zu dem Gesamtbild der Weimarer Republik hinzu. Für mich absolut lesenswert. Besonders, wenn man sich die aktuellen Entwicklungen anschaut. Natürlich, man kann von der Vergangenheit nicht eins zu eins auf die Gegenwart schließen. Zu unterschiedlich sind die Grundvoraussetzungen, Begebenheiten und handelnden Personen. Aber es gibt trotzdem auffallende Ähnlichkeiten: eine immer tiefere Spaltung der Gesellschaft, ein Kampf um die modernen Medien und – wie zuletzt in Thüringen – immer schwierigerer politische Verhältnisse. Ich bin mit der Überzeugung „Nie mehr!“ aufgewachsen. So langsam jedoch wird diese immer mehr zur Frage: „Nie mehr?“

Donnerstag, 5. März 2020

Mein CD Regal


Amorphis
Under the Red Cloud




„Früher waren die besser“, „Voll der Kommerzmüll“, „Pop Scheiße für Poser“. Das waren so die gängigsten Kommentare der Metal Silberrücken zu Amorphis, als ich diese so um 2006 rum das erste Mal für mich entdeckte. „Eclipse“ war gerade erschienen, und auf einer jungen Videoplattform im Internet bin ich über das Video zu „The Smoke“ gestolpert. Ganz nett, aber wirklich vom Hocker hat es mich damals nicht gehauen.

Ein paar Jahre später dann waren Amorphis in der Stadt. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt ein paar mehr Songs gehört, sowohl neueres als auch altes Material. Der Unterschied: gewaltig. Die Neugier war geweckt. Das musste ich mir einfach anschauen.
Kurz: das Konzert war der Knaller. Und nicht das Letzte. Nur auf Platte, da habe ich mich noch nicht an die Band getraut. Etwas aus der von Veteranen so gefeierten „Tales of the Thousand Lakes“ Ära vielleicht? Oder die komplett verschmähte, experimentelle „Am Universum“? Oder doch was Neues? Je länger der Katalog einer Band und je höher deren Experimentierfreude, desto schwerer fällt die Wahl. Fragt man sieben verschiedene Leute, welches Album man auf jeden Fall haben sollte, so bekommt man sieben verschiedene Antworten.

Ein Lieber Mensch hat mir aus der Misere geholfen und zum Geburtstag die Live CD\DVD „Forging the Land of Thousand Lakes“ geschenkt. Von den frühen Sachen bis zum damals aktuellsten findet sich dort Alles. Ein perfekter Querschnitt durch die Bandgeschichte, in guter Ton und Bildqualität. Da „Amorphis“ live zudem richtig gut liefern machte dann weitere CDs erst einmal überflüssig.
Nun sind wieder ein paar Jahre ins Land gezogen, und inzwischen hab ich mir endlich ein Studio Album zugelegt. Warum ausgerechnet „Under the Red Cloud“? Reiner Zufall. Es lag auf dem Wühltisch für einen schmalen Euro.
Und was soll ich sagen. Ich hab Spaß an der Scheibe. Die Death Metal Wurzeln sind bei jedem Song deutlich zu hören, ohne dass es jemals richtig brachial wird. Atmosphäre steht hier deutlich im Vordergrund. Die Songs sind alle recht eingängig und schnell im Ohr. Der Wechsel zwischen Growls und Klargesang sowie die musikalischen Farbtupfer durch Folkelemente sorgen dafür, dass sie auch drin bleiben.

Früher waren die besser? Möglich. Hätte ich „Amorphis“ damals zu „Tales“ Zeiten kennengelernt, würde ich auch jede Scheibe damit vergleichen. Und wäre enttäuscht. Mit Doom Death hat das inzwischen nur noch wenig zu tun. Andererseits ist eine musikalische Weiterentwicklung ja durchaus auch Spannend. Besser als das gleiche Album in leichten Variationen immer und immer wieder Manowar mäßig zu veröffentlichen.
Wie auch immer: ich bin nun einmal zu jung für Vergleiche mit der „Tales“. Somit kann ich mir das Album relativ Vorurteilsfrei anhören und meinen Spaß damit haben. Eine der wenigen CDs, die ich am Stück hören kann. Definitiv nicht meine Letzte „Amorphis“ Scheibe.