Donnerstag, 2. April 2020

Aus dem Nähkästchen

Corona? Ich habe eine Krise!



Obwohl aus der Ich Perspektive geschrieben, sind die Geschichten in der Rubrik „Aus dem Nähkästchen“ keine Eins zu Eins Erzählungen von Dingen, die ich genauso erlebt habe. Die Handlungen und auch der Ich Erzähler selbst setzen sich vielmehr aus Erlebnissen, Erfahrungen, Erzählungen und Beobachtungen zusammen. Authentisch, aber nie ganz real. Dass lässt mir beim schreiben einfach ein bisschen mehr Spielraum.
Diesmal jedoch tritt mein alter Ego einen Schritt nach hinten und macht eine wohlverdiente Kaffee Pause. Der Ich Erzähler heute bin diesmal wirklich ich, und das erzählte diesmal nah dran an der Realität. Leider. Überspitzt bleibt es dennoch.


Vernünftig bleiben. Drinnen bleiben. Was logisch und im ersten Moment auch einfach klingt, erweist sich inzwischen als eine schwere Prüfung. Der Frühling draußen zeigt sich von seiner absolut besten Seite und scheint mich zu verhöhnen: die Sonne scheint und lockt zu langen, ausgedehnten Wanderungen. Die Vögel pfeifen und zwitschern fröhlich. Es klingt ein bisschen nach „Biergarten“ und „Eisdiele“.
Nun ja, das fällt erst einmal flach. Der Lieblingsbiergarten dieses Jahr heißt Balkon.

Es heißt ja, dass man aus der ungewohnten und etwas beklemmenden Situation das Beste machen soll. Die Zeit ohne Ablenkungen von Außen nutzen. Projekte, die lange geplant sind, endlich angehen. Neue Hobbies ausprobieren. Oder alte, fast vergessene neu aufleben lassen. Öfter mit Verwandten und Freunden telefonieren. Mal wieder mehr lesen. Etwas Neues lernen.
Lauter tolle Dinge, die auf einen warten. In der Theorie. Die Realität sieht leider etwas trauriger aus. Anstatt mich voller Elan in das unbekannte neue Land „Social Distancing“ zu stürzen, versumpfe ich einfach im Internet. Also noch mehr als sonst.

Gruseliger Höhepunkt: Pietro Lombardies betteln und bangen um Platz eins der deutschen Albumcharts. Gruselig, weil ich es normalerweise nicht mitbekommen hätte. Somit habe ich nicht nur Zeit auf absolut Unwichtiges verschwendet, sondern weiß nun auch, wer Pietro Lombardie ist.
Was war passiert? In einer Instagramm Story erzählte Lombardie, dass er schon immer von Platz eins der deutschen Charts geträumt habe. Es sieht auch ganz gut aus, aber aus dem Nichts kam eine Rockerband. Und die verkauft echt gut. Sie steht somit zwischen ihm und seinem großen Traum, drohen, ihn zu zerstören. So sind sie halt, die Rockerbands. Machen jede Partie kaputt. Und damit dass nicht passiert, müssen seine Fans nur eines tun: kaufen, kaufen, kaufen!
Heaven Shall Burn – jene Band „aus dem Nichts“ - hat die Steilvorlage dankend für ihre Promo aufgenommen, und auch in den sozialen Netzwerken schlug das einige Wellen. So hat der dunkle Parabelritter sich die Frage gestellt, ob es in diesen Zeiten angebracht ist, um ein paar Verkäufe mehr zu betteln. Bis zur Bildzeitung ging das Ganze. Diese machten sich über die Unwissenheit des DSDS Gewinners von der drölften Staffel lustig und boten Metalnachhilfe an. Ich weiß ehrlich nicht, was ich beunruhigender finden soll. Dass eine erzkonservative Zeitung, die für mich der absolute Inbegriff deutscher Kleinbürgerei ist, sich auf die Seite einer Metalband schlägt. Eine Subkultur, die für mich immer das genaue Gegenteil repräsentierte. Oder dass ich tatsächlich einen ganze Bild Artikel gelesen habe.
Gruselig, mit welchen Nichtigkeiten kleine und größere Socialmedia Skandale entstehen. Ist uns schon so langweilig, dass wir uns mit so etwas beschäftigen? Oder hat einfach ein RTL2 Schreiberling das Skript für die Realität in die Hand bekommen? War das vor der Krise auch schon so? Auf jeden Fall ist genau diese Art von unnötiger Schlammschlacht und Selbstdarstellung von C Promis, Superstars, Supermodels und was sonst noch alles meint, sein Gesicht in die Öffentlichkeit zu halten, der Grund, warum mein Fernseher vor gut sechs Jahren den Weg durch das Fenster gegangen ist.

Am letzten Dienstag ist dann etwas wunderbares passiert. Das Internet ist für einen Tag bei uns in der Gegend ausgefallen. Zack. Die Gehirnschnecke war weg, und auf einmal – tja auf einmal hat es geklappt. Das Lesen. Das spazieren gehen. Projekte anfangen. Es ist so schön. Es ist so einfach. Nicht nur theoretisch. Seitdem bleibt das Internet am Abend einfach aus. Die Gehirnschnecke muss sich woanders umsehen.

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