Corona? Ich habe eine Krise!
Obwohl aus der Ich
Perspektive geschrieben, sind die Geschichten in der Rubrik „Aus
dem Nähkästchen“ keine Eins zu Eins Erzählungen von Dingen, die
ich genauso erlebt habe. Die Handlungen und auch der Ich Erzähler
selbst setzen sich vielmehr aus Erlebnissen, Erfahrungen, Erzählungen
und Beobachtungen zusammen. Authentisch, aber nie ganz real. Dass
lässt mir beim schreiben einfach ein bisschen mehr Spielraum.
Diesmal jedoch tritt
mein alter Ego einen Schritt nach hinten und macht eine wohlverdiente
Kaffee Pause. Der Ich Erzähler heute bin diesmal wirklich ich, und
das erzählte diesmal nah dran an der Realität. Leider. Überspitzt
bleibt es dennoch.
Vernünftig bleiben.
Drinnen bleiben. Was logisch und im ersten Moment auch einfach
klingt, erweist sich inzwischen als eine schwere Prüfung. Der
Frühling draußen zeigt sich von seiner absolut besten Seite und
scheint mich zu verhöhnen: die Sonne scheint und lockt zu langen,
ausgedehnten Wanderungen. Die Vögel pfeifen und zwitschern fröhlich.
Es klingt ein bisschen nach „Biergarten“ und „Eisdiele“.
Nun ja, das fällt
erst einmal flach. Der Lieblingsbiergarten dieses Jahr heißt Balkon.
Es heißt ja, dass
man aus der ungewohnten und etwas beklemmenden Situation das Beste
machen soll. Die Zeit ohne Ablenkungen von Außen nutzen. Projekte,
die lange geplant sind, endlich angehen. Neue Hobbies ausprobieren.
Oder alte, fast vergessene neu aufleben lassen. Öfter mit Verwandten
und Freunden telefonieren. Mal wieder mehr lesen. Etwas Neues lernen.
Lauter tolle Dinge,
die auf einen warten. In der Theorie. Die Realität sieht leider
etwas trauriger aus. Anstatt mich voller Elan in das unbekannte neue
Land „Social Distancing“ zu stürzen, versumpfe ich einfach im
Internet. Also noch mehr als sonst.
Gruseliger
Höhepunkt: Pietro Lombardies betteln und bangen um Platz eins der
deutschen Albumcharts. Gruselig, weil ich es normalerweise nicht
mitbekommen hätte. Somit habe ich nicht nur Zeit auf absolut
Unwichtiges verschwendet, sondern weiß nun auch, wer Pietro Lombardie
ist.
Was war passiert? In
einer Instagramm Story erzählte Lombardie, dass er schon immer von
Platz eins der deutschen Charts geträumt habe. Es sieht auch ganz
gut aus, aber aus dem Nichts kam eine Rockerband. Und die verkauft
echt gut. Sie steht somit zwischen ihm und seinem großen Traum,
drohen, ihn zu zerstören. So sind sie halt, die Rockerbands. Machen
jede Partie kaputt. Und damit dass nicht passiert, müssen seine Fans
nur eines tun: kaufen, kaufen, kaufen!
Heaven Shall Burn –
jene Band „aus dem Nichts“ - hat die Steilvorlage dankend für
ihre Promo aufgenommen, und auch in den sozialen Netzwerken schlug
das einige Wellen. So hat der dunkle Parabelritter sich die Frage
gestellt, ob es in diesen Zeiten angebracht ist, um ein paar Verkäufe
mehr zu betteln. Bis zur Bildzeitung ging das Ganze. Diese machten
sich über die Unwissenheit des DSDS Gewinners von der drölften
Staffel lustig und boten Metalnachhilfe an. Ich weiß ehrlich nicht,
was ich beunruhigender finden soll. Dass eine erzkonservative
Zeitung, die für mich der absolute Inbegriff deutscher Kleinbürgerei
ist, sich auf die Seite einer Metalband schlägt. Eine Subkultur, die
für mich immer das genaue Gegenteil repräsentierte. Oder dass ich
tatsächlich einen ganze Bild Artikel gelesen habe.
Gruselig, mit
welchen Nichtigkeiten kleine und größere Socialmedia Skandale
entstehen. Ist uns schon so langweilig, dass wir uns mit so etwas
beschäftigen? Oder hat einfach ein RTL2 Schreiberling das Skript für
die Realität in die Hand bekommen? War das vor der Krise auch schon
so? Auf jeden Fall ist genau diese Art von unnötiger
Schlammschlacht und Selbstdarstellung von C Promis, Superstars,
Supermodels und was sonst noch alles meint, sein Gesicht in die
Öffentlichkeit zu halten, der Grund, warum mein Fernseher vor gut
sechs Jahren den Weg durch das Fenster gegangen ist.
Am letzten Dienstag
ist dann etwas wunderbares passiert. Das Internet ist für einen Tag
bei uns in der Gegend ausgefallen. Zack. Die Gehirnschnecke war weg,
und auf einmal – tja auf einmal hat es geklappt. Das Lesen. Das
spazieren gehen. Projekte anfangen. Es ist so schön. Es ist so
einfach. Nicht nur theoretisch. Seitdem bleibt das Internet am Abend
einfach aus. Die Gehirnschnecke muss sich woanders umsehen.
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