Donnerstag, 21. Mai 2020

Mein CD Regal


Finsterforst

Mach dich Frei 

 

 

 

2020 entwickelt sich zum Jahr des Konjunktivs. Eigentlich wären zwei Festivalbesuche angestanden. Und eigentlich wären eine ganze Reihe kleinerer Clubkonzerte auf dem Plan gestanden. Finsterforst zum Beispiel wären in Mannheim gewesen. War fest eingeplant. Aber, nun ja. Konjunktiv eben.
Auf Platte gehören Finsterforst spätestens seit der „Rastlos“ zu meinen absoluten Lieblingsbands. Mit dem Nachfolger „Mach dich Frei“ schlagen sie in genau die gleiche Kerbe. Black Metal, oft herrlich zäh und schleppend, zusammen mit Folkinstrumenten, hauptsächlich die Schwarzwald typischen Hörner und das Akkordeon. Folk Metal – ja, das schon. Aber ohne das Geschunkel und die Bierzelt Uftatata Rhythmen. Und auch textlich ist man von anderen Genrevertretern weit weg. Keine Asen, kein Met, kein Bier.
Dazu haben Finsterforst ein Händchen für den Spannungsbogen: abgesehen von den Zwischenspielen geht kein Song unter die 5 Minuten Marke, oft deutlich drüber. Trotzdem wirken die Lieder allesamt kurzweilig. „Mach dich frei“ist wie sein Vorgänger ein Kandidat für komplett am Stück gehört zu werden. Kopfhörer auf, Musik an, Welt aus. Funktioniert einwandfrei.

Und weil der Nachfolger eben fast genauso gut war wie „Die Rastlos“, und es inzwischen ein weiteres Studioalbum – das spaßige „Yolo“ lass ich hier mal unter den Tisch fallen – der Schwarzwälder gibt, konnte ich es kaum erwarten, Finsterforst endlich wieder mal auf der Bühne zu sehen.
Das letzte Mal ist schon eine Weile her. Wacken 2013. Letzter Tag. Ich war an der Hauptbühne bei Alice Cooper. Souveräne Show, geile Songs, doch irgendwie wirkte es so dermaßen routiniert – von allen Beteiligten - das gelangweilt wohl das passendere Adjektiv ist. Und während der Meister zur Guillotine schritt um zum keine Ahnung wievielten mal in seinem Leben geköpft zu werden, hab ich mir den Weg durch die Menge zur kleinen Wackinger Bühne gebahnt. „Finsterforst“ hatten dort, etwas Zeitversetzt, ihren Auftritt. Folgerichtig haben sie sich der – für Wacken- kleinen Menge als Begleitservice von Alice vorgestellt. Dennoch, oder gerade deswegen: es war für mich persönlich das Beste, was ich auf diesem Festival an Musik gesehen habe. Zwei Gründe dürften ausschlaggebend gewesen sein. Erstens: Finsterforst sind Live einfach gut. Die Befürchtung, dass die Stücke auf der Bühne eher langweilen als begeistern, hat sich recht schnell verflüchtigt. Zweitens: neben Alice hat im Zelt noch eine andere Szene Größe gespielt. Ich glaube es waren Candlemass, aber sicher bin ich mir nicht mehr. Auf jeden Fall gab es genug hochkarätige Ablenkung, die dazu geführt hat, dass die Meisten wirklich gezielt wegen Finsterforst da waren. Die hatten einfach Bock auf die Band und wussten genau, was sie erwartet. Es war fast schon Clubkonzert Stimmung. Die Band muss nicht das Publikum erst anheizen und von ihren eigenen Songs überzeugen. Der Funke springt recht schnell von der Bühne auf den Mob über. Kurz, das Konzert war der absolute Abriss, ich war verschwitzt und glücklich. Und hatte somit zumindest ein richtiges Konzert Erlebnis. 

Das Problem an den ganz großen Festivals vor den Hauptbühnen ist für mich nämlich die Stimmung vor der Bühne. Ganz vorne Tobt der Fanmob, aber mit jeder Reihe weiter hinten steigt die Zahl der Zaungäste. Die die Band wenig bis gar nicht kennen. Die auf den nächsten Act warten. Oder vor den Bierleichen in ihrem Camp geflohen sind. Da wird mal gefällig mit dem Fuß gewippt. Oder das Haar geschüttelt. Aber das wars dann auch schon an Stimmung. Lieber wird darüber diskutiert, an welchem Bierbrunnen es am schnellsten geht, ob das jetzt überhaupt Metal ist was da vorne passiert oder warum diese „Deep Purple“ eigentlich Headliner sind. Die hatten doch eh nur diesen einen Hit. Irgendwas mit Rauch.

Tja auf jeden Fall war mir nach dem Auftritt klar, dass ich „Finsterforst“ definitiv nochmal in gemütlicher Atmosphäre sehen muss. Aus verschiedenen Gründen hat sich die Gelegenheit dazu leider erst sieben Jahre später ergeben. Beziehungsweise, hätte. Konjunktiv. Ihr wisst Bescheid.


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