Finsterforst
Mach dich Frei
2020 entwickelt sich
zum Jahr des Konjunktivs. Eigentlich wären zwei Festivalbesuche
angestanden. Und eigentlich wären eine ganze Reihe kleinerer
Clubkonzerte auf dem Plan gestanden. Finsterforst zum Beispiel wären
in Mannheim gewesen. War fest eingeplant. Aber, nun ja. Konjunktiv
eben.
Auf Platte gehören
Finsterforst spätestens seit der „Rastlos“ zu meinen absoluten
Lieblingsbands. Mit dem Nachfolger „Mach dich Frei“ schlagen sie
in genau die gleiche Kerbe. Black Metal, oft herrlich zäh und
schleppend, zusammen mit Folkinstrumenten, hauptsächlich die
Schwarzwald typischen Hörner und das Akkordeon. Folk Metal – ja,
das schon. Aber ohne das Geschunkel und die Bierzelt Uftatata
Rhythmen. Und auch textlich ist man von anderen Genrevertretern weit
weg. Keine Asen, kein Met, kein Bier.
Dazu haben
Finsterforst ein Händchen für den Spannungsbogen: abgesehen von den
Zwischenspielen geht kein Song unter die 5 Minuten Marke, oft
deutlich drüber. Trotzdem wirken die Lieder allesamt kurzweilig.
„Mach dich frei“ist wie sein Vorgänger ein Kandidat für
komplett am Stück gehört zu werden. Kopfhörer auf, Musik an, Welt
aus. Funktioniert einwandfrei.
Und weil der
Nachfolger eben fast genauso gut war wie „Die Rastlos“, und es
inzwischen ein weiteres Studioalbum – das spaßige „Yolo“ lass
ich hier mal unter den Tisch fallen – der Schwarzwälder gibt,
konnte ich es kaum erwarten, Finsterforst endlich wieder mal auf der
Bühne zu sehen.
Das letzte Mal ist
schon eine Weile her. Wacken 2013. Letzter Tag. Ich war an der
Hauptbühne bei Alice Cooper. Souveräne Show, geile Songs, doch
irgendwie wirkte es so dermaßen routiniert – von allen Beteiligten
- das gelangweilt wohl das passendere Adjektiv ist. Und während der
Meister zur Guillotine schritt um zum keine Ahnung wievielten mal in
seinem Leben geköpft zu werden, hab ich mir den Weg durch die Menge
zur kleinen Wackinger Bühne gebahnt. „Finsterforst“ hatten dort,
etwas Zeitversetzt, ihren Auftritt. Folgerichtig haben sie sich der –
für Wacken- kleinen Menge als Begleitservice von Alice vorgestellt.
Dennoch, oder gerade deswegen: es war für mich persönlich das
Beste, was ich auf diesem Festival an Musik gesehen habe. Zwei Gründe
dürften ausschlaggebend gewesen sein. Erstens: Finsterforst sind
Live einfach gut. Die Befürchtung, dass die Stücke auf der Bühne
eher langweilen als begeistern, hat sich recht schnell verflüchtigt.
Zweitens: neben Alice hat im Zelt noch eine andere Szene Größe
gespielt. Ich glaube es waren Candlemass, aber sicher bin ich mir
nicht mehr. Auf jeden Fall gab es genug hochkarätige Ablenkung, die
dazu geführt hat, dass die Meisten wirklich gezielt wegen
Finsterforst da waren. Die hatten einfach Bock auf die Band und
wussten genau, was sie erwartet. Es war fast schon Clubkonzert
Stimmung. Die Band muss nicht das Publikum erst anheizen und von ihren eigenen Songs überzeugen. Der Funke springt recht schnell von der Bühne auf den Mob über. Kurz, das Konzert war der absolute Abriss, ich war
verschwitzt und glücklich. Und hatte somit zumindest ein richtiges
Konzert Erlebnis.
Das Problem an den
ganz großen Festivals vor den Hauptbühnen ist für mich nämlich
die Stimmung vor der Bühne. Ganz vorne Tobt der Fanmob, aber mit
jeder Reihe weiter hinten steigt die Zahl der Zaungäste. Die die
Band wenig bis gar nicht kennen. Die auf den nächsten Act warten.
Oder vor den Bierleichen in ihrem Camp geflohen sind. Da wird mal
gefällig mit dem Fuß gewippt. Oder das Haar geschüttelt. Aber das
wars dann auch schon an Stimmung. Lieber wird darüber diskutiert, an welchem
Bierbrunnen es am schnellsten geht, ob das jetzt überhaupt Metal ist
was da vorne passiert oder warum diese „Deep Purple“ eigentlich
Headliner sind. Die hatten doch eh nur diesen einen Hit. Irgendwas
mit Rauch.
Tja auf jeden Fall
war mir nach dem Auftritt klar, dass ich „Finsterforst“ definitiv
nochmal in gemütlicher Atmosphäre sehen muss. Aus verschiedenen
Gründen hat sich die Gelegenheit dazu leider erst sieben Jahre
später ergeben. Beziehungsweise, hätte. Konjunktiv. Ihr wisst
Bescheid.
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