Mittwoch, 31. März 2021

Mein CD Regal

Hübsch Hässlich.

 


Ich persönlich bevorzuge immer noch den CD Kauf gegenüber dem digitalen Album, beziehungsweise bestelle mir beim Kauf eines solchen die physische Kopie gleich mit. Der Hauptgrund dafür: Ich mag nun mal Booklets. Ein oder zwei Bandfotos, die Texte schön übersichtlich und farblich passend gestaltet, vielleicht sogar mit ein oder zwei netten Zeichnungen. Genauso wichtig und natürlich deutlich mehr ins Auge springend: ein hübsches Cover. Ein Bild, dass mich künstlerisch anspricht. Dass von der Art und Gestaltung her die Atmosphäre der Musik widerspiegelt. Dass zu dem Höhrerlebnis eine passende visuelle Ebene liefert und somit aus der CD ein rundes Gesamtbild macht. Ein gutes Cover ist für mich fast genauso wichtig wie die Musik auf dem Album. Somit habe ich schon mindestens genauso oft mit dem Auge wie mit dem Ohr Musik eingekauft.

Es gibt aber auch Albencover, die einen eher davon abschrecken, eine CD einzulegen. Anhäufungen an Klischees wie muskelbepackte Männer, leicht bekleidete Damen in Not und mindestens ein dutzend wilder Drachen zum Beispiel. Bunte Farben und die Ästhetik eines Fantasy Pulb Fiction Heftchens. Natürlich, der Cover Künstler wird sich dabei was gedacht haben. Hoffentlich. Ich erkenne auch an, dass er viele Arbeitsstunden investiert hat und deutlich mehr Talent als ich besitzt. Das ändert nichts daran, dass ich manches einfach hässlich finde. Drei optische Totalausfälle habe ich mir heute mal aus meiner Sammlung für euch rausgesucht. Auf das obligatorische Bandfoto als Frontbild habe ich verzichtet. Das sind für mich zwar auch denkbar schlechte Cover Motive und es befinden sich einige davon in meiner Sammlung. Aber einfallslos und hässlich ist nun mal nicht das Selbe.


Pegazus: Wings of Destiny

Ganz ehrlich: ich habe keine Ahnung, warum ich diese CD besitze. Irgendjemand hat mir mal eine Powermetalband vorgespielt, die ich richtig gut fand. Kurz darauf habe ich beim Stöbern auf dem Flohmarkt die „Wings of Destiny“ in der Hand gehabt. Ich weiß nicht, welche Synapsen da bei mir falsch gefeuert haben. Auf jeden Fall war ich der Meinung, diese Band gefunden zu haben. Habe ich nicht. Wäre ich aber nicht so unendlich davon überzeugt gewesen, das Teil wäre liegen geblieben. Grundsätzlich mag ich Pegasi ja ganz gerne, aber dieser hier...nun ja, Geschmackssache sage ich mal. Zu dem verstörenden Hottehü passt die Farbkomposition des Hintergrundes irgendwie ganz gut. Als ob ein Glücksbärchi auf das Papier gekotzt hätte. Der Vorteil: mein Teppich wirkt auf einmal gar nicht mehr so arg bunt. Wer jetzt übrigens sich denkt: „Na, ganz so schlimm sieht das Pferdchen doch gar nicht aus.“ sollte einen Blick auf die CD Rückseite werfen. Dort findet man es wieder. Schön ausgeschnitten, auf schwarzem Hintergrund. Und komplett verzogen. Doch, es ist hässlich. Immerhin, die Musik ist etwas besser. Pegazus liefern klassischen Heavy Metal der – ganz true – ohne unnötige Adjektive auskommt.Die ersten zwei Songs machen auch ordentlich Spaß, dann geht der Musik aber schon die Puste aus. Der Rest dudelt im großen Meer der Belanglosigkeiten vor sich hin. Manowar lassen grüßen.

Übrigens, ich weiß bis heute nicht, was für eine Band ich damals gesucht habe. Pegazus war es schon mal definitiv nicht.


Hammercult: Steelcrusher

Muskelmänner, Brüste und Drachen: für mich, wie gesagt, mit die kitschigsten Motive, die eine Heavy Metal Band für ihr CD Cover sich aussuchen kann. Was ist noch schlimmer? Die Antwort haben „Hammercult“ parat. Alles drei auf einmal. Das zeichnerisches Können und Talent nicht zwingend ein Bild ergeben, dass ich gut finde, wird hier deutlich. Kein anderer als Andreas Marshal hat dieses Ding erschaffen. Somit ist es technisch deutlich besser als der unglückliche Pegasus von vorhin. Hübsch oder gut geht in meinen Augen dennoch anders. Tatsächlich habe ich die CD jedoch gerade wegen des Covers gekauft: dass und der Name haben mich kitschigen Fantasy Metal aus dem Lala Land erwarten lassen. Etwas, was ich sehr gerne mag. Mein „Guilty Pleasure“, sozusagen. Tja, ich wurde enttäuscht. Positiv. Statt Elben Tanz Musik kommt hier satter, geradliniger Death\Thrash aus den Boxen. Nicht gerade originell. Aber richtig unterhaltsam. Und besser als das Cover.


Helloween: Keeper of the Seven Keys. The Legacy.


Mitte der 2000er waren Computer einfach cool und modern. Egal, was man gemacht hat, durch den Computer wurde es besser. Ganz bestimmt. Ein Irrglaube, der damals weit verbreitet war. „Stratovarius“ zeigen in beeindruckender Weise mit dem Artwork von „Infinity“, wie man den Computer nicht benutzt. Die Delphine machen mir heute noch Angst. Somit sind „Helloween“ immerhin nicht alleine, wenn es um schlechten Geschmack aus der digitalen Welt geht. Was jedoch keine wirkliche Entschuldigung oder Erklärung für den Coverunfall ist.Wer den Namen „Keepers of the Seven Keys“ liest, hat automatisch die liebevolle gestalteten, Hand gemalten Bilder der ersten beiden Teile vor Augen. Der rote Kapuzenmann ist noch da. Aber „liebevoll“ und „Hand gemalt“ sind verschwunden. Stattdessen ein billig wirkendes, am PC zusammengeschustertes etwas. Kapuzenmann verteidigt tapfer die Schlüssel gegen – eine stählerne Teufelsdame? Oder jemanden in einem seltsamen Fetisch Kostüm? Ich habe keine Ahnung. Optisch ist das definitiv kein Erbe, sondern eher schon Leichenfledderei. Musikalisch machen es die Kürbisköpfe zum Glück deutlich besser. Auch wenn ich damit wohl ziemlich alleine Stehe: für mich die beste Helloween Scheibe. Aber gut, für die ersten beiden Keeper Scheiben bin ich zu jung. Ich habe sie erst recht spät entdeckt und konnte den Klassiker Status nie nachvollziehen. Da muss man wohl dabei gewesen sein.


Donnerstag, 25. März 2021

Aus dem Nähkästchen

 

Jugend. Sünden?


Ich habe letztens Radio gehört. Ein frei empfangbarer Sender mit dem Schwerpunkt auf Rockmusik. Ganz angenehm, wenn man einfach mal ein bisschen Beschallung im Hintergrund braucht. Etwas seltsam fand ich jedoch das Format „Beichtstuhl“. Leute rufen dort an, erzählen, was sie früher gehört haben, bevor sie die „einzig wahre“ Musik entdeckt haben. Das wird dann kurz eingespielt und dann, „Zack“, wird dir deine Jugendsünde vergeben. Als ich zugehört habe, war eine Junge Dame am Telefon, die gestanden hat, als Jugendliche Boybands gehört zu haben – Backstreet Boys, Take That und alles, was sonst noch so als Bravo Star Schnitt an den Wänden der Teenie Zimmer hing. Aber diese dunkle, trostlose Zeit ist vorbei. Jetzt hört sie nur noch gute Musik: Rock! Was denn da am liebsten, so fragt der Moderator. Kurze Stille. Dann: „Ach, so eigentlich alles. Rammstein, Ärzte, AC DC und, ach, so alles halt.“ Kurzum: jemand, der früher schon am liebsten dass gehört hat, was der Rest der Welt gut findet, macht dass immer noch. Aber immerhin ist es nun Rock. Die einzig wahre Musik. Und so.

Ein wie ich finde ziemlich dämliches Format. Ist es denn wirklich schlimm, das man früher komplett was anderes gehört hat? Oder es sogar heute noch macht? Wenn ich Bock auf meine „Jugendsünden“ habe, dann hör ich die einfach. Ohne dafür heimlich in den Keller zu gehen. Oder mich danach weniger „Metal“ zu fühlen – was immer auch „Metal sein“ genau heißen mag.

Als jemand, der Ende Neunziger, Anfang der Nuller Jahre groß geworden ist, kann ich aus einem großen Pool an „Guilty Pleasures“ schöpfen. Ganz vorne dabei: Euro Dance. Bravo Hits 10 bis 16 waren damals gerade aktuell. Bis auf ein paar Ausnahmen – meist Boybands mit Zahnpastalächeln, wie schon erwähnt, oder deren weibliche Pendants – sind darauf Perlen des Bum Bum Plastik Gewummer zu finden. Dementsprechend bin ich als Kind auf Scooter, Vengaboys und andere künstlerische Totalausfälle wie ein Flummi durch die Gegend gehüpft. Peinlich? Nö. Damals war das halt die Musik überhaupt. Die großen Kinder haben das gehört, also muss es ja gut sein. Außerdem sind für mich bis heute die besten Partys immer noch die, auf denen ausschließlich Bravo Hits von 1 bis 20 laufen. Was kostet der Fisch? Mir egal, solange der Bass ordentlich wummert.

Dann kam „Tony Hawk Pro Skater 2“. Nicht nur das erste und einzige richtig gelungene Skateboard Spiel für PC und Konsolen. Sondern auch das Spiel mit dem Soundtrack überhaupt. Der wartete unter anderem mit Bad Religion und Papa Roach auf. Sowie dem absoluten Überhammer und der Blaupause für Crossover schlechthin: „Bring the Noise“ von Anthrax\ Public Enemy.

Ich war nie ein Skater. Sportspiel interessierten mich eigentlich auch nicht groß. Aber der Soundtrack – der lief rauf und runter. Der Startschuss für meine Punk und Crossover Phase. Was tatsächlich nur auf den ersten Blick individuell und rebellisch wirkt. War man als Kind „Opfer“ der Eurodance Welle, so kam man dann Anfang der 2000er als Jugendlicher direkt in die Nu Metal Phase rein. Anders zu sein war Mainstream. Und das Zahnpastalächeln im Star Schnitt wich düster dreinschauenden, verwegen wirkenden Jungs. Trotzdem, auch hier gibt es eigentlich nichts, wofür ich mich heute schämen würde. Texte darüber, das man sich unverstanden und ausgegrenzt fühlt, verpackt in harten Gitarren und garniert mit melodiösen Refrains, die beweisen dass unter jeder harten Männerschale ein verletzlicher, einfühlsamer Mensch steckt? Für Teenager die passende und perfekte Musik. Kasten Bier in den Bollerwagen, tragbare Anlage rein und dann ab an den nächsten Baggersee.

Gut, würde ich das heutzutage entdecken, ich würde es liegen lassen. Aber für ein paar Runden auf der Nostalgie Bahn taugt das immer noch. Guano Apes, Staind und Linkin Park finden immer wieder mal in einer Playlist zusammen. Meistens spät Abends und bierselig, wenn man alles aus der Zeit vergessen hat bis auf die Partys, auf denen das als lief. Man sich dann urplötzlich wieder nach diesen Zeiten zurücksehnt. Weil ja alles so anders, soviel unkomplizierter war. Realität und Nostalgie haben selten viel miteinander zu tun. Aber nun gut, vom Crossover zum Metal ist es nur ein kleiner Schritt, sodass „Jugendsünde“ das auch nicht wirklich treffend beschreibt.

Aber da gibt es noch eine Musikrichtung, die ich als jugendlicher gerne gehört habe, die mir auch heute noch viel Spaß macht. Für diejenigen, die true mit v schreiben, ist es der tongewordene Antichrist, die Essenz allen Bösen. Hip Hop. Genauer: Deutschrap. „Jein“ von Fettes Brot lief eigentlich auf jeder Party und in jeder Disco an einem „Wir spielen alles“ Abend. Abgesehen davon, dass man auf das Teil einfach gut tanzen kann, gefiel mir schon immer der Wortwitz und die Art, wie der Song mit der Sprache spielt. „Demotape“ läuft bei mir bis Heute noch rauf und runter. Und das Reibeisen Dendemann macht bei mir immer aufs neue seinen Nichtschwimmer. Warum also trage ich heute keine zu großen Klamotten und lauf mit Ghettoblaster durch die Gegend? Warum heißt der Blog denn nicht „Hoodnews“? Tja, die erste Hochphase des Deutschraps war damals vorbei. Die Rapper, die damals aktuell waren, haben nicht mehr feinen Sprachwitz zur Gesellschaftsanalyse und Kritik genutzt. Sondern prollhaft erzählt, dass sie andere Leute abziehen und sich mit dem Geld dicke Autos, Tonnen von Koks und die teuersten Nutten kaufen. Frauen sind Schlampen. Deutsche Vorstädte plötzlich Ghettos. Außerdem äußerten alle ein sexuelles Interesse an den Müttern anderer. Sollte wohl männlich und stark wirken. Machte auf mich aber eher einen lächerlichen Eindruck. Mein Interesse an Deutschrap war dann auch ziemlich schnell wieder vorbei. Jugendsünde? Nun ja, mit Anfang 20, als ich in der absolut trueesten Metalphase überhaupt war – ihr kennt die sicher: alles außer Metal stinkt, wer was anderes hört ist untrue, und alles unter was weniger als zehn Kilo Nieten hat ist ein Poser Outfit – hab ich das tatsächlich so gesehen. Aber das ging zum Glück vorbei. Wenn ich eine musikalische Jugendsünde habe, dann eigentlich nur diese engstirnige Phase.

Donnerstag, 18. März 2021

Mein CD Regal

 

Stahlmagen

Schreie in der Nacht




Nun, das mit den Bandnamen ist ja so eine Sache. Die Naheliegenden – Hell, Pain, Death und so weiter – sind schon Jahrzehntelang belegt. Sinnvolle Wortkombinationen sind auch schon alle bis zum Anschlag durch variiert worden. Irgendwann bleibt für neuere Bands einfach nicht mehr viel übrig, und dann muss man halt nach Absurdistan für die Namensfindung gehen. Bei einem Kasten Bier im Proberaum. Also, einen für jedes Bandmitglied. Anders kann ich mir „Stahlmagen“ als Bandnamen kaum erklären.

Aber nun ja, Namen sind Schall und Rauch. Hinter der – hm, kreativen – Wortschöpfung verbirgt sich für mich eine der besten und überraschendsten Underground Bands, die ich bisher kennengelernt habe.

Der kleine Club ums Eck, ein paar Euro Eintritt und einige kleine, lokale Bands – wer mich kennt, weis, dass das für mich die Grundzutaten für einen gelungenen Abend sind. Ganz unabhängig davon, ob die Musik was taugt oder nicht. Sind die Bands doof, trifft man oft eine handvoll Leute, die man sonst unterm Jahr nicht zu Gesicht bekommt. Sind diese Leute nicht da, gibt es die Möglichkeit, gemütlich ein Bierchen zu trinken und die Menge zu beobachten. Selten sieht man so viele fleischgewordene Klischees, wie auf einem kleinen Metalkonzert. Hat manchmal was von einem Zoobesuch. Gucken und Staunen.

„Stahlmagen“ habe ich an einem solchen Abend das erste Mal gesehen. Da waren weder die Bands noch die Leute doof, und ich kann mich erinnern, dass ich direkt nach dem Auftritt mir beide Demos geholt habe. Gut, jetzt spielte an diesem Abend die Euphorie natürlich eine große Rolle. Alkohol und ausgelassene Stimmung sind nicht gerade die zuverlässigsten Entscheidungshilfen beim CD Kauf. Dementsprechend war ich mir am nächsten Morgen gar nicht mehr so sicher, ob das wirklich sinnvoll investiertes Geld war. Zu einem war da das ziemlich miese Cover der „Imperium Forestris“. Und zum anderen eben der meiner Meinung nach komplett dämliche Band Name.

Unbegründete Sorgen. Beide Scheiben liefen die nächsten Wochen bei mir in Dauerschleife, bis sie meiner Umwelt und ganz zum Schluss auch mir auf den Keks gingen.

„Stahlmagen“ spielen Black Metal – oder so. Ich verwende dieses Subgenre eher als Orientierungshilfe. Serviervorschlag, sozusagen. Die Gitarren klirren schön kalt und der Sound rumpelt herrlich dreckig aus den Boxen. Ganz traditionell ist das aber bei weitem nicht. Weiblicher Klargesang, eine Querflöte – die ganz truen schreien hier wieder Szene Verrat und Kommerz. Mir machen „Stahlmagen“ aber definitiv Spaß. „Schreie in der Nacht“ ist ein bisschen roher und geradliniger als „Imperium Forestris“. Ein bisschen ungeschliffener. Qualitativ mag der Nachfolger einen Hauch besser sein, aber schlecht ist das Ding definitiv nicht. Im Gegenteil, gerade dadurch hat es seinen eigenen Charme. Auf jeden Fall liefern beide Scheiben immer wieder Futter für meine Playlists. Definitiv mehr als nur zwei Staubfänger und ungenutzte Erinnerungsstücke an einen schönen Abend.

Donnerstag, 11. März 2021

In eigener Sache

Heute gibt es keinen neuen Beitrag. Wer mag, kann hier ein bisschen stöbern. Nächste Woche wird es hier wieder weiter gehen. Bis dahin werde ich mal wieder die Seiten hier aktualisieren. 

Donnerstag, 4. März 2021

Bücherkiste

Robert A. Heinlein

Fremder in einer fremden Welt


Eselsohren. Ein eingerissenes Deckblatt. Leichte Wellen als Folgen mindestens einer Regendusche.Man sieht es ihm direkt an: dieses Buch habe ich deutlich mehr als einmal gelesen. Heinleins „Fremder in einer Fremden Welt“ gehört für mich persönlich zu dem engen Kreis der Romane, die mit jedem mal lesen Stück für Stück sich mir mehr erschließen. Dabei weiß ich bis Heute immer noch nicht so genau, was ich von dem Buch halten soll. Wie eigentlich bei allen Sachen von Heinlein, dass ich bisher gelesen habe.

Valentine Michael Smith ist eine Sensation: der einzige Überlebende der ersten Marsmission kehrt nach Hause auf die Erde zurück. Da er bei der Landung noch ein Baby war, wurde er von Marsianern aufgezogen. Die haben ihn gelehrt, mit seinem Geist für Menschen unvorstellbare Dinge zu machen. Dadurch wird er für die Regierung und das Militär zum brisanten Forschungsobjekt. Eine junge Dame jedoch findet dass das kein Menschenwürdiges Leben ist und verhilft ihm zur Flucht. So landet er in der Obhut von Jubal Harshaw, der schnell eine Vaterrolle für ihn annimmt und versucht, Mike das „Mensch sein“ näher zu bringen.

Das wirklich spannende an dem Roman ist Mike, der völlig Vorurteilsfrei, quasi „unbefleckt“, auf die Menschheit trifft. Zu beobachten, wie er das Mensch sein für sich lernt und mit seiner marsianischen Sicht kombiniert macht den Spaß an dem Buch aus. Seine Reaktion auf etwas für uns selbstverständliches wie zum Beispiel Lachen und Humor bringen einen dazu, diese Punkte aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. 

Wenn man sekundär Literatur über „Fremder in einer fremden Welt“ liest, erfährt man, dass dieser zum ersten mal 1961 erschienene Roman vor allem in der Hippie Szene auf große Resonanz gestoßen ist. Das überrascht nicht, immerhin werden Themen angesprochen, die damals eine zentrale Rolle gespielt haben, wie Monogamie, Religion und Geld.

Grundsätzlich finde ich, dass auch heute noch der Roman definitiv Lesenswert ist. Gut? Nun ja. Wie Anfangs schon erwähnt, manches hinterlässt einen schalen Geschmack oder ist absolut untragbar aus heutiger Sicht. Eine der Protagonistinnen findet, dass Frauen immer eine gewisse Teilschuld bei einer Vergewaltigung haben, und Homosexualität wird als unnatürlich beschrieben. Selbst wenn man den zeitlichen Rahmen, in dem das Buch entstanden ist und somit das damalige Frauenbild und die gesellschaftlichen Konventionen vor Augen hat, ist dass starker Tobak. Auch der im Buch angesprochene entspannte Umgang mit Sexualität und Liebe lässt für mich Fragen offen. Hat der Autor wirklich die Ansicht, dass das starre Monogame System den Menschen einschränkt und ein offener Umgang damit die Gesellschaft voranbringt? Oder ist es eher eine schmutzige Herrenphantasie, in welcher der Mann immer noch zentral dominiert und nun halt anstatt einer mehrere ihm hörige Frauen hat? Auch mehrmaliges Lesen hat mir persönlich keine Antwort darauf geliefert.

Generell hat bisher jeder Heinlein Roman bei mir ein bisschen Bauchweh hinterlassen. „Starship Troopers“ mit seiner faschistisch militärisch geprägten Gesellschaft. „Die Katze, die durch Wände geht“ mit seinem seltsamen Protagonisten, der eine fragwürdige Einstellung zur Sexualität hat. Das allerdings machen Heinleins Werke für mich gleichzeitig so reizvoll: egal ob er jetzt nur Billig Provozieren will oder wirklich Diskussionen anstoßen, seine Bücher sind definitiv immer mehr als nur reine Unterhaltungsromane und zwingen einen, auch über teilweise einem selbst falsch erscheinenden Konzepte nachzudenken. Er zerrt einen aus seiner eigenen Komfortzone. Bei „Fremder in einer fremden Welt“ bin ich mir jedoch immer noch nicht sicher, ob er mich persönlich nicht zu weit da hniauszieht. Auf der einen Seite ist die Idee, die Menschheit durch zwar menschliche, aber völlig unbefangene Augen zu betrachten, spannend und erzählerisch absolut fesselnd gemacht. Auf der anderen Seite sind jedoch viele der aus dieser Beobachtung resultierende Handlungen Mikes im besten Falle fragwürdig. Somit ist „Fremder in einer fremden Welt“ definitiv keine leichte Kost. Besonders der zweite Teil, als Mike sein erlerntes Wissen über die Menschheit nutzt und eine neue Religion gründet, ist stellenweise zäh und sperrig. Dennoch – oder auch gerade deswegen – lese ich es immer wieder gerne. Schließlich muss man ja nicht zwingend mit dem Autor und seinen Ansichten einer Meinung sein.


Anmerkung: Die mir vorliegende Ausgabe ist die ungekürzte Fassung von 1991