Ein bisschen Wehmut und ein RE Post
Das ich zu einer aussterbenden Art gehöre, weiß ich schon eine ganze Weile. Alben kaufen, am Stück hören. Ein Booklet durchblättern. Konzerte mit Stapelweisen CDs in der Hand verlassen. Das Regal schön ordentlich einräumen. Im Laden stehen und A bis Z geduldig durchwühlen.
Analoge Musik ist schon eine Weile ziemlich am Ende, das weiß sogar ich. Nur ist es mir letztens erst richtig bewusst geworden. Zum einem habe ich erfahren, dass ein CD Laden in Freiburg dicht gemacht hat. Zugegeben, es ist schon eine Weile her, dass ich dort das letzte mal einkaufen war. Aber gerade zu meinen "Ich hör jetzt meine eigene Musik" Anfangstagen hab ich dort regelmäßig Dinge für mich entdeckt. Und meine Anfangstage sind nun einmal auch schon wieder eine ganze weile her, runde 16 Jahre. Und damals war der Laden schon alt. Kurz gesagt: die CD stirbt langsam, aber sie stirbt.
Zum anderen war ich letztens ein paar mal mal wieder bei den großen Unterhaltungsmedien Ketten stöbern. das erste mal seit gut anderthalb Jahren. Ja, ich habe davor auch mitgekriegt, dass über die Jahre die Regale immer kleiner wurden und immer spärlicher bestückt waren. Aber da ich recht regelmäßig unterwegs war, ist mir dass so nie aufgefallen. Es war halt ein schleichender Prozess. Jetzt, mit etwas Abstand, ist mir aufgefallen: schleichend, vielleicht. Aber schon recht weit fortgeschritten. Die Abteilungen haben den Charme eines hessischen Supermarktes an der Baden Württembergischen Grenze am 6. Januar.
Natürlich konnte ich noch wühlen. Natürlich hab ich noch was gefunden. Aber es war auch klar: so allmählich wars dass. Die Jagd wird sich für mich wohl auf Konzerte und den Online Handel verschieben. Ganz in der Hoffnung, dass zumindest die kleinen Labels und der Underground an der Überzeugung festhalten, dass etwas reales in den Händen zu halten zum Musik hören und sammeln einfach dazugehört.
Vor ein paar Jahren habe ich eine kleine Hommage an den Wühltisch geschrieben, die mir die letzten Tage nicht mehr aus dem Kopf ging. Und die ich euch nicht vorenthalten möchte. Und da es nun einmal bei Blogs so ist, dass alte Beiträge so gut wie nie gelesen werden, präsentiere ich ihn euch hier und heute noch einmal. In Farbe. Und bunt.
Wühltisch
Samstag Vormittag.
Einkaufszeit. Nach einem kurzen Bummel durch einen Klamottenladen
sitzen mein Freund und ich im Kaffee. Er sieht etwas genervt aus.
Beschwert sich darüber, dass ich immer so lange brauche. Und dass
ich nie an Wühltischen vorbeikomme. Immer diese Frauen und ihr Zwang
nach Schnäppchen. Aber egal, heute habe ich keine Lust auf Streit.„Du musst nicht
alles verstehen“ antworte ich ihm. „trinke lieber deinen Kaffee
aus, dann können wir noch in den Plattenladen.“ Seine Miene hellt
sich sofort aus. Der halbe Kaffee verschwindet fast wie durch Magie.Kurz darauf befinden
wir uns zwischen endlos scheinenden Regalen voll gestopft mit CDs.
Mein Freund geht akribisch alles durch. Dabei kann ich mir anhören,
dass Musik heute nichts mehr taugt. Das die neuen Bands alle
überbewertet sind. Und das diese und jene nach der dritten Platte
nur noch Mist machen. Am Ende hat er den Arm voll gepackt mit Cds. Es
ist fast überstanden. Nur noch der Weg zur Kasse. Mit den
Wühltischen. Er stellt sich an den Ersten. Blättert Reihe nach
Reihe durch. Mit Argusaugen sondiert er Bandnamen und Albumtitel.
Manchmal zieht er eine CD raus. Begutachtet sie. Und steckt sie
achtlos irgendwo wieder rein.Am anderen Ende des Tisches gehen zwei
Herren ähnlich vor. Zeitgleich greifen beide nach dem gleichen
Stück. Sie halten inne. Starren sich an. Eine lauthals geführte
Diskussion, wer von beiden jetzt als Erstes dran war, folgt. Das
Gespräch nimmt rasant an Schärfe zu. Es ist wohl die letzte CD. Ein
Original, kein Re- Release. Das Gezerre und Gerangel wird heftiger.
Unbemerkt gleitet das gute Stück zurück auf den Tisch. Unbemerkt
von den Beiden, heißt das. Blitzschnell greift mein Freund danach,
mustert es kurz. „Hübsch“, murmelt er anerkennend. Er dreht sich
zu mir. „Ok, wir können zur Kasse“ Er schaut kurz zu den beiden
Streithänen. „Bevor sie es merken.“
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