Donnerstag, 27. April 2017

Aus dem Nähkästchen: Der Heavy Metal und das Buch



Ich habe schon immer gerne und viel gelesen. Manche behaupten zwar, dass ich nur deshalb als Kind das lesen gelernt habe, um endlich das Fernsehprogramm lesen zu können. Aber das stimmt natürlich nicht. Schon recht früh habe ich einen Großteil meiner Zeit in der städtischen Bibliothek verbracht. Und dort hab ich dann auch die alters gerechten Phantasie Romane von Wolfgang Hohlbein für mich entdeckt. Ich habe die meisten davon mindestens einmal gelesen. Vor allem Märchenmond hatte es mir damals angetan. Nach Holhbein habe ich recht schnell Tolkiens „Der Hobbit“ gelesen, und kurz darauf die „Herr der Ringe“ Bücher. Schon damals, noch vor dem großen Erfolg der Filme und der darauf folgenden Merchandise Welle, kam man kaum um diese Bücher herum.
Viele halten Tolkiens Werk als zu trocken und zu langatmig. Zugegeben, gefühlte 20 Seiten Landschaftsbeschreibung am Stück können anstrengend sein. Danach kommt wieder etwas Story, man erfährt ein bisschen über die spannenden Hintergründe und – zack - beschäftigt man sich wieder ausführlich mit der Schönheit eines Baumes. Doch tatsächlich ist gerade diese Dichte und die daraus folgende Realitätsnähe Mittelerdes genau das, was mich schon immer so gefesselt hat. Nie hat man das Gefühl, dass Mittelerde bloß eine lieblos zusammen gestückelte Kulisse für irgendeine Geschichte darstellt. Vielmehr wirkt „der Herr der Ringe“ wie ein Reisebericht und Mitteleerde wie ein Ort, den Tolkien wirklich besucht hat und der nicht nur einfach auf ein paar Seiten Papier existiert. 

Ich war begeistert, und folgerichtig habe ich mir nach dem „Herr der Ringe“ auch das „Silmarillon“ angeschafft. Dabei handelt es sich um eine Ansammlung von Geschichten und Texten, die nach Tolkiens Tod veröffentlicht wurde und sich mit der Historie Mittelerdes beschäftigt. Angefangen bei der Schöpfung der Welt durch die Musik der Götter und wie dabei das Böse in die Welt kam, erfährt man alles über das tragische Schicksal der Elben und wie die Menschen und Zwerge Mittelerde besiedelten. Die erzählten Geschichten sind atmosphärisch sehr dicht, teilweise an Tragik kaum zu überbieten und beantworten viele Fragen, die beim Lesen vom Herr der Ringe aufkommen. Und trotzdem hatte ich sehr viel Mühe beim lesen. Die Erzählform lässt die Geschichten oft trocken und gefühllos wirken. Bei mir kam beim ersten Versuch einfach kein Lesefluß zustande, und so habe ich es erst einmal zur Seite gelegt. Bis mir auf dem Schulhof ein Bruder von einem Kumpel eine CD in die Hand drückte. „Wenn du Tolkien magst, solltest du dir das anhören.“ Es handelte es sich um Blind Guardians „Nightfall in Middle Earth“. Nach dem ersten Durchlauf war ich schon begeistert. Heavy Metal hatte ich bis dahin nur hin und wieder mal auf Partys gehört, und einzelne Songs hatte ich auf Samplern. Musikalisch hörte ich damals noch eher Punk und Crossover. So war es das erste mal, dass ich ein komplettes Metal Album durch hörte. Und es gefiel mir. Melodisch, hart, abwechslungsreich. Nun ja, ich fand schließlich heraus, dass es sich Inhaltlich mit Tolkiens „Silmarillion“ auseinandersetzt. Darauf weist auch schon der Titel dezent hin. Und nachdem ich wochenlang nichts anderes als diese CD gehört habe, entschloss ich mich, dem Buch nochmal eine Chance zu geben. Die Musik macht das Lesen des Silmarillions natürlich nicht einfacher, sie ist weit davon entfernt ein Lektüreschlüssel zu sein. Aber sie schafft es, den Texten die vermissten Emotionen zu entlocken. So wird bei „Curse of Feanor“ die ganze Tragik der Geschichte der Noldor für mich fasst greifbar. Die detaillierten, dichten Texte und die emotionale Musik ergeben zusammen ein großes Ganzes, dass die Welt von Mittelerde in meinem Kopf zum Leben erweckt und mich bis Heute nicht loslässt.
Außerdem war das Album mein Einstieg in die Welt des Heavy Metals. Nach der „Nightfall“ besorgte ich mir nach und nach den Rest der Krefelder. Und stellte fest: Tolkien ist nicht die einzige Inspirationsquelle der Barden. Ob Stephen King, Robert Jordan oder Michael Morcock: Durch das Hören von Blind Guardian habe ich viele Autoren und Bücher für mich entdeckt. Oder einfach nochmal gelesen.

                                            
Von Tolkien zum Metal
Aber nicht nur Blind Guardian lassen sich von der Literatur inspirieren. Gerade auf Tolkien stößt man immer wieder, egal ob bei Power, Black oder was auch immer Metal. Mal ist es der Bandname, der aus dem Werk Tolkiens entnommen wird, wie zum Beispiel „Amon Amarth“ oder „Gorgoroth“. Mal sind es einzelne Lieder wie Sabatons „Shadows“. Oder die Band legt gleich ihr ganzes Konzept nach Mittelerde, wie zum Beispiel Battlelore. Nicht nur ihre Alben und Songs spielen so gut wie Komplett in Mittelerde, sondern jedes Bandmitglied spielt einen Charakter, wie Elb oder Uruk-hai. Auf welche Art und weise es nun auch geschieht, viele Musiker verbinden ihre Werke mit der Literatur. Deshalb bin ich überhaupt erst richtig auf den Heavy Metal aufmerksam geworden.
Inzwischen sind viele Jahre vergangen. Ich lese immer noch sehr gerne.Und ich höre immer noch Metal. Doch so wie ich bei den Büchern inzwischen mehr für mich entdeckt habe außer Phantasieromane, so höre ich heute auch musikalisch deutlich mehr als nur Power Metal. Aber mit Blind Guardian hat es angefangen, und so wie ich immer wieder zu Tolkiens „Herr der Ringe“ zurückkehre, landet regelmäßig eine Scheibe der „Blinden Gardinen“ in meinem CD Player.

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