Donnerstag, 19. Oktober 2017

Bücherecke: Jugend ohne Gott


Ödön von Horvath

Jugend ohne Gott


Es ist einer dieser Abende, an denen man nicht wirklich weiß, was man mit sich anstellen soll. Es ist zu früh fürs Bett, zu spät um noch großartig nach Draußen zu gehen. Den Fernseher will man nicht einschalten. Ein Film schauen wäre zwar gut, aber beim Fernsehprogramm läuft das meistens auf 2 Stunden hin und her gezappe raus. Gesehen hat man dabei nichts. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass nichts Gescheites kommt. Und die Ahnung, dass ein Blick ins Programmheft einem wohl die Folter erspart hätte.

Was bleibt zu tun? Die DVD Sammlung kennt man bereits auswendig. Aber Kino wäre mal wieder eine Idee. Ein Blick ins Internet und schon weiß ich: das einzige was jetzt noch kommt ist „Jugend ohne Gott“. Bei dem Namen klingelt es bei mir im Hinterstübchen. Das habe ich doch schon einmal gehört? Verstaubte Zahnrädchen laufen an, es rattert und klackert. War das nicht ein Roman? Und so finde ich mich anstatt im Kinosessel im Keller wieder. Vor mir die Kiste mit den ganzen Schullektüren. Hauptsächlich eine Sammlung der sattsam Bekannten und leidlich gemochten gelben Reclam Hefte. Sophokles, Schiller, Goethe. Das Gesamte Folterarsenal mit dem Deutsch Lehrer auf wehrlose heranwachsende losgelassen werden. Eine kleine Sammlung der bedeutsamsten Werke der Menschheitsgeschichte, sicherlich. Aber das wenigste davon liegt im Interessenspektrum eines 14 Jährigen Jungen. Zu wenig Brüste. Und wenn welche darin vorkommen, muss man den Satz erst einmal Zwanzig mal lesen, um das überhaupt mit zu bekommen.
Nach etwas wühlen halte ich es schließlich in der Hand: Ödon von Horvath, Jugend ohne Gott. Um was es geht weiß ich nicht mehr. Ich habe nur die Vage Ahnung, dass es zu den erfreulicheren Werken aus der Schulzeit gehört.
Einige Tage später weiß ich auch warum. Die Geschichte eines jungen Lehrers, der in einem faschistischen Staat versucht klar zu kommen und in einen Mordfall verstrickt wird, ist schlicht und ergreifend fesseln. Und zur gleichen Zeit erschreckend.
Aus der Ich Perspektive geschrieben, zeichnet der Erzähler ein düsteres und erdrückendes Bild einer Gesellschaft, die den Staat über grundlegende Menschenrechte und Moral hebt. Dass dabei auf genaue Ortsangaben und Namen verzichtet wird, macht das ganze richtig beklemmend. Die Geschichte spielt in einem zeitlosen Setting, es kann überall und immer passiert sein. Man kann sich nicht raus reden und sagen: „Ja, das waren die Nazis. Das kann so nicht mehr passieren“ Mit keinem Wort wird das dritte Reich erwähnt.Genau das macht den Roman für mich so einzigartig und zu einem der Besten, welche man über die dritte Reich Thematik lesen kann.
Ein beeindruckender Roman, über dessen wieder Entdeckung ich mich freue. Aus dem Keller hat er es wieder hoch ins Bücherregal geschafft. Den Film habe ich bisher noch nicht gesehen. Ich habe noch genug Bauchweh vom Buch.

Weiterlesen: Weniger für den Kopf, mehr für die pure Unterhaltung.  

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