Ödön von Horvath
Jugend ohne Gott
Es ist einer dieser
Abende, an denen man nicht wirklich weiß, was man mit sich anstellen
soll. Es ist zu früh fürs Bett, zu spät um noch großartig nach
Draußen zu gehen. Den Fernseher will man nicht einschalten. Ein Film
schauen wäre zwar gut, aber beim Fernsehprogramm läuft das meistens
auf 2 Stunden hin und her gezappe raus. Gesehen hat man dabei nichts.
Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass nichts Gescheites kommt. Und die
Ahnung, dass ein Blick ins Programmheft einem wohl die Folter
erspart hätte.
Was bleibt zu tun?
Die DVD Sammlung kennt man bereits auswendig. Aber Kino wäre mal
wieder eine Idee. Ein Blick ins Internet und schon weiß ich: das
einzige was jetzt noch kommt ist „Jugend ohne Gott“. Bei dem
Namen klingelt es bei mir im Hinterstübchen. Das habe ich doch schon
einmal gehört? Verstaubte Zahnrädchen laufen an, es rattert und
klackert. War das nicht ein Roman? Und so finde ich mich anstatt im
Kinosessel im Keller wieder. Vor mir die Kiste mit den ganzen
Schullektüren. Hauptsächlich eine Sammlung der sattsam Bekannten
und leidlich gemochten gelben Reclam Hefte. Sophokles, Schiller,
Goethe. Das Gesamte Folterarsenal mit dem Deutsch Lehrer auf wehrlose
heranwachsende losgelassen werden. Eine kleine Sammlung der
bedeutsamsten Werke der Menschheitsgeschichte, sicherlich. Aber das
wenigste davon liegt im Interessenspektrum eines 14 Jährigen Jungen.
Zu wenig Brüste. Und wenn welche darin vorkommen, muss man den Satz
erst einmal Zwanzig mal lesen, um das überhaupt mit zu bekommen.
Nach etwas wühlen
halte ich es schließlich in der Hand: Ödon von Horvath, Jugend ohne
Gott. Um was es geht weiß ich nicht mehr. Ich habe nur die Vage
Ahnung, dass es zu den erfreulicheren Werken aus der Schulzeit
gehört.
Einige Tage später
weiß ich auch warum. Die Geschichte eines jungen Lehrers, der in
einem faschistischen Staat versucht klar zu kommen und in einen
Mordfall verstrickt wird, ist schlicht und ergreifend fesseln. Und
zur gleichen Zeit erschreckend.
Aus der Ich
Perspektive geschrieben, zeichnet der Erzähler ein düsteres und
erdrückendes Bild einer Gesellschaft, die den Staat über
grundlegende Menschenrechte und Moral hebt. Dass dabei auf genaue
Ortsangaben und Namen verzichtet wird, macht das ganze richtig
beklemmend. Die Geschichte spielt in einem zeitlosen Setting, es kann
überall und immer passiert sein. Man kann sich nicht raus reden und
sagen: „Ja, das waren die Nazis. Das kann so nicht mehr passieren“
Mit keinem Wort wird das dritte Reich erwähnt.Genau das macht den Roman für mich so einzigartig und zu einem der Besten, welche man über die dritte Reich Thematik lesen kann.
Ein beeindruckender
Roman, über dessen wieder Entdeckung ich mich freue. Aus dem Keller
hat er es wieder hoch ins Bücherregal geschafft. Den Film habe ich
bisher noch nicht gesehen. Ich habe noch genug Bauchweh vom Buch.
Weiterlesen: Weniger für den Kopf, mehr für die pure Unterhaltung.
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