Nightwish
Once
Auch wenn ich
eigentlich weiß, dass ich mich danach oder sogar schon währenddessen
nur über mich selber ärgern werde, weil ich mal wieder Zeit
vergeudet habe, bin ich ein regelmäßiger Wiederholungstäter. Die
beste Möglichkeit, mal für fünf Minuten das Gehirn auszuschalten
und sich mit einer Fülle an Unsinn, Nichtigkeiten und der üblichen
Brise Fremdschämen berieseln zu lassen. Youtube schauen. Ein Schelm,
wer da an RTL 2 gedacht hat.
Zugegeben, meistens
sind es mehr als nur fünf Minuten. Deutlich mehr. Und hin und wieder
stolpert man ja auch über etwas Interessantes. Eine spannende Doku.
Oder ein Musikvideo einer mir bis dahin unbekannten Band. Das ist
aber relativ selten geworden, und inzwischen für mich kaum mehr als
eine fadenscheinige Ausrede, um noch mehr Zeit zu verplempern. Es
könnte ja was Tolles dabei sein!
Im Moment
bombardiert mich Youtube mit einer weiteren Variante inhaltslosen
Inhaltes: Reaction Videos. Das sind Videos, in denen man Menschen dabei zu sieht, wie sie
Videos schauen. Beliebt dabei: Musikvideos von Bands, welche die
Person bis dahin noch gar nicht kannte. Tja, ich weiß nicht was ich
erschreckender finden soll: die unendliche Menge solcher Videos und
die teilweisen doch echt erstaunlich hohen Klick zahlen. Oder die
Tatsache, dass ich selber vor den Dingern hängen geblieben bin.
In Folge dessen habe
ich nun einige Videos gesehen, auf denen Leute auf Nightwishs „Ghost
Love Score“ vom Wacken 2013 reagieren. Die Reaktionen dabei sind
meistens die gleichen: einer neutralen bis gelangweilten Miene beim
Eröffnungsriff folgt ab dem ersten Ton der Sängerin ein wahres Fest
an Gesichts Tourette. Ungläubige Mienen, spontane Freudenschreie und
offene Münder.
Reaktionen, die
„Once“ damals bei mir ganz genauso ausgelöst haben. Nur war
keine Kamera dabei. Zum Glück.
Nightwish waren
damals für mich eine absolute Neuentdeckung. „Oceanborn“ und
„Wishmaster“ liefen eigentlich jeden Tag. Dazu kam das Wissen,
das meine Neuentdeckung in nur ein paar Wochen eine neue Scheibe auf
den Markt bringen – ich war euphorisch wie ein verliebter Teenager.
Gut, in gewisser Weiße war ich ein verliebter Teenager.
Also bin ich direkt
am Erscheinungstag nach der Schule aufs Fahrrad gesprungen. Raus
geradelt zum örtlichen Elektrofachmarkt. Den Discman dabei, mit
einem frischen Satz Batterien gefüttert.
Das Ding gekauft und
sofort weiter geradelt, an meinen Lieblingsplatz im Stadtgarten.
Kopfhörer auf, Musik an. Von außen betrachtet dürfte ich einen
ähnlichen Anblick wie die Youtuber bei ihren Reactions Videos
geliefert haben. Ein wahres Feuerwerk an Gesichtstourette. Und
spontanen Körperzappeleien. Zufällig vorbeikommende Spaziergänger
dürften mich für komplett verrückt gehalten haben. Likes gab es
dafür keine.
Ich weiß noch, dass
ich gleich von der ersten Note an total begeistert war. Ich weiß
aber auch, dass diese Euphorie nicht lange anhielt und ich recht
schnell wieder zu den Vorgänger Alben zurück gegangen bin. Selbst
die mir bis dato nur mittel prächtig gefallende „Century Child“
rotierte öfter in meinem CD Player.
Nachdem ich durch
das gucken der Reaction Videos wieder auf „Once“ aufmerksam wurde
und ich sie zum ersten mal seit längerer Zeit – nur so knapp 15
Jahre – komplett am Stück gehört habe, ist mir auch klar warum.
Das Album ist von
vorne bis hinten auf Eingängigkeit ausgelegt. Die Band liefert ein
sattes, metallisches Fundament. Das Orchester kleistert alles mit
Bombast und Pathos zu. Eine richtig satte Produktion sorgt für den
ordentlichen Druck. Einzelne Songs funktionieren so bestens. Der
Opener „Dark Chest of Wonders“ ist bis heute einer meiner
Lieblings Songs von Nightwish. Auf Albumlänge jedoch wirkt das ganze
ermüdend. Keine Ecken, keine Kanten, welche das Ohr beim Hören bei
Laune halten. Nichts, was wirklich heraus sticht. Mit zunehmender
Laufzeit verkommt alles zu einem eintönigen Brei. Dazu kommen dann
noch die beiden Totalausfälle „I wish I had an Angel“ und
„Nemo“. Die ich in meiner Euphorie damals gefeiert habe. Heute
sind sie Skip Tasten Kandidaten.
Unterm Strich bleibt
ein für mich solides, aber doch irgendwie monotones Album. Andere
Bands in diesem Genre würden sich für so ein Teil sicher einen Arm
ausreißen, in der Nightwish Discografie ist es dennoch mein
persönlicher Tiefpunkt.
Für die Band selber
ist er das wohl nicht: mit „Once“ gelang damals der Schritt vom
Szene Star zur ganz großen Pop Sensation.