Ihr seht doch alle gleich aus!
Es ist Samstag,
früher Nachmittag. In der Stadthalle findet ein eintägiges Festival
statt. Die Running Order zwingt mich dazu, früh dort zu sein. Wird
ein langer Tag. Aber das hat auch einen Vorteil. Ich habe in Ruhe
Zeit, mir gemütlich am Merchandise Stand ein T Shirt zu kaufen.
Bevor die Massen kommen. Bevor die Stimmung der in einer Filiale
eines irischen Modegeschäfts gleicht.
Vor mir ist nur ein
Kunde dran. Er sucht sich ein Shirt aus, zahlt. Die Dame hinter dem
Tresen dreht sich kurz um, zählt das Wechselgeld aus der Kasse. Der
Kerl vor mir macht höflich einen Schritt zur Seite, sodass ich schon
einmal einen Blick auf die Auslage werfen kann. Inzwischen ist die
Verkäuferin zurück, drückt mir 35 Euro in die Hand und ruft
„Nächster!“ Ich muss kurz lachen. „Der steht schon da. Und die
35 Euro gehören dem Jungen Mann da drüben“ Ich zeige auf meinen
Vorgänger, der gerade mit leuchtenden Augen seinen Neuerwerb
begutachtet. „Ach Scheiße, ihr seht doch alle gleich aus!“. Sie
gibt dem rechtmäßigen Besitzer das Geld und bedient mich danach
höflich distanziert. Kurz darauf hat sich meine T Shirt Sammlung
erweitert.
Einige Stunden
später. Das Festival ist bis dahin gut gelaufen. Viel Musik, viel
Haare schütteln, viel Bier. Wenig Pause. Eine Mitelalter Rock Band
steht gerade auf der Bühne und gibt mir somit die Zeit, endlich
durchzuatmen und etwas essbares zu jagen. In einem etwas ruhigeren
Bereich der Halle ist eine kleine Fressmeile mit Bierbänken
aufgebaut. Bald sitze ich zufrieden mit Kaffee und Bier am Tisch und
genieße die Ruhe.
„Ist bei dir noch
frei?“ Ich schaue hoch. Vor mir steht die Verkäuferin von vorher.
Ich nicke, und sie setzt sich mir gegenüber. „Ich wollte mich noch
entschuldigen. Es ist mein erstes mal auf so einer großen
Veranstaltung. Ich war einfach etwas überfordert“ beginnt sie das
Gespräch, nachdem eine Portion Linsen mit Spätzle in Rekordzeit in
ihr verschwunden ist.
Ich mache ein
überraschtes Gesicht. „Vorher? Achja, entschuldige, ich hab dich
erst nicht erkannt. Ihr seht alle gleich aus.“ Sie schaut mich böse
an. Ich grinse zurück. Ihr Todesstrahl weicht einem süßen kichern.
„Das hab ich vielleicht verdient. Aber hey, lange Haare. Schwarzes
Shirt. Bier in der Hand.“ Sie schaut sich um. „Überall sonst
wäre das eine treffende Personenbeschreibung. Hier funktioniert das
halt gar nicht. Unglaublich, wie viel auf einen Haufen hier sind.“
Ich schaue sie fragend an. „Na ich dachte immer, Heavy Metal sei
Krachmusik für ein paar einzelne Menschen die mit sich und der Welt
nicht klarkommen. Die sich lieber mit Ihren Schuhen unterhalten als
mit einer Frau. Mir war nicht bewusst wie viele es sind.“ Ich
lache laut auf. „Und sicher dachtest du, dass wir alle Nachts auf
Friedhöfen Katzen opfern und Jungfrauen schänden?“frage ich
zwinkernd. „Zumindest ist es dass, was meine Mutter mir erzählt
hat. Egal was ich mache, ich soll mich auf jeden Fall von euch
langhaarigen Satanisten fernhalten. Ihr könntet ein unschuldiges
Mädchen wie mich verderben. Wenn du Ihr in dem Outfit über den Weg
läuft, springt sie vor Schreck wahrscheinlich in den nächsten
Busch. Und wird dann den Dorfpfarrer rufen, um den Dämonen in dir zu
vertreiben. Sie hat da eine etwas altmodische Sichtweise. Dabei gibt
es bei uns im Dorf keinen einzigen. Den ersten dieser bösen Jungs
habe ich auf dem Gymnasium kennengelernt. Und der war eher verwirrt
als böse.“ sie lächelt mir verschmitzt zu. „Das ist ein Grund
dafür, dass ich den Job heute Abend angenommen habe. Ich wollte mir
mal anschauen, wie das wirklich bei euch aussieht. So eine Art Zoo
Besuch.“ Inzwischen komme ich aus dem Grinsen nicht mehr raus. „
Das muss ja eine recht idyllische Gegend sein, aus der du kommst.“
„Hotzenwald“ „Oh.“
„Ja, oh. Alles
idyllisch. Friedlich. Und langweilig. Deshalb bin ich auch nach dem
Abi gleich hierher zum studieren gekommen.“ „Das kann ich
verstehen. So ein schräges Dorf wie deines, dass muss die Hölle auf
Erden sein. Würde ich mir gerne mal anschauen.“
Sie strahlt. „Ich
habe gehofft das du das sagst!“ Ich scheine in eine Falle getreten
zu sein. „Ach?“
„Ja weist du, in
zwei Wochen ist die Geburtstagsfeier meiner Mutter. Und ich habe
eigentlich gar keine Lust drauf. Immer die gleichen verknöcherten
Leute. Immer der gleiche Ablauf.“ Ich ahne schlimmes. „Aber mit
einem dieser bösen bösen Asozialen als dein Begleiter bringst du
diesen Routine gehörig durcheinander?“frage ich. „Schlauer
Junge. Genau das.“ „Du willst mich als deinen Freund vorstellen,
nur um deine Mutter zu ärgern?“ Sie nickt.
„Das ist komplett
albern, unreif und bescheuert!“ „Also bist du dabei?“ „Auf
jeden Fall.“ Ihr schelmisches Grinsen huscht wieder über Ihr
Gesicht. „Perfekt.“
Sie steht auf, packt ihr Zeug und kommt zu
mir herüber. „Ich muss wieder weitermachen. Ruf die nächsten Tage
einfach an. Wird bestimmt lustig.“ Sie haucht mir einen Kuss auf
die Backe und verschwindet mit leichtem Schritt in der Menge. Ich
schaue ihr hinterher, beobachte wie ihr Pferdeschwanz im Rhythmus
ihrer Schritte wackelt. Mein Gesichtsausdruck in diesem Moment muss
dem eines debilen Idioten nahe kommen. Dann schaue ich auf den
Tisch. Dort liegt ein Zettel mit einer Telefonnummer und einem
kleinen, handgemalten Herzchen. Das versprach, interessant zu
werden.
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