Freitag, 17. September 2021

Aus dem Nähkästchen


 Wahl und Qual

Das Schöne an einem Blog ist, dass ich als Autor so ziemlich alles tun und lassen kann, was ich will. Schreiben, worauf ich gerade Lust habe oder über die Kreise, die mein Gedanken Karussell mal wieder so dreht. Klar, man gibt seinem Blog schon grundsätzlich eine Themen Ausrichtung, an die man sich im Großen und Ganzen hält. In meinem Fall Musik, Lesen und Wandern. Wenn ich aber der Meinung bin, dass die Welt auch mal an anderen kruden Gedankengängen von mir teilhaben sollte: kein Problem. Keiner der sagt: Nein, das ist Thematisch völlig fehl am Platz! Oder: Das ist zu politisch, was sollen die Leser den denken?

Also schweife ich diese Woche inhaltlich mal wieder komplett ab. In den letzten Wochen häufen sich die Flugzettel in meinem Briefkasten, und es werden immer mehr. Von den Straßenlaternen lächeln verständnisvolle Gesichter herab. Kurze, griffige Sätze in bunten Farben werben um meine Gunst. Es ist Wahlkampf.

Oh Gott, jetzt redet er über Politik! Ja, so ist das nun einmal in einer Demokratie. Jeder darf und sollte sich am politischen Prozess beteiligen. Nicht nur, aber gerade in Wahlkampfzeiten. Dass kann jeder, wie zum Beispiel der Dunkle Parabelritter und Rezo auf Youtube demonstrieren. Damit es aber nicht nur reines Geschwurbel wird, sollte man seine Meinungen, wenn sie so spezifisch wie bei den beiden und nicht ein schnelles Gedankenpapier wie das hier sein sollen, mit Quellen und sauberer Recherche belegen.  Bringt nichts, weil die da oben eh machen, was sie wollen? Jein. Schmu treiben die Alle, und manchmal hat man wirklich das Gefühl, zwischen Pest und Cholera zu wählen. Aber: der Bundestag alleine macht ja nicht unsere Politik. „Die da oben“ haben zwar so ihre Freiheiten, aber machen, was sie wollen, können sie nur im ungünstigsten Fall. Ein Kanzler hat beileibe nicht die Machtfülle eins französischen oder US amerikanischen Präsidenten. Eine Frau Baerbock würde also nicht über Nacht alle Autos verschrotten lassen und sämtliche Eigenheime in Brandt stecken. Ein Herr Laschet würde nicht sofort 10 neue Kohlekraftwerke ans Netz bringen. Und Olaf Scholz würde nicht- tja, was auch immer diese farbloseste aller Kandidaten so am liebsten machen würde. Vor allem dann nicht, wenn im Bundesrat die Mehrheiten fehlen. Egal, was viele behaupten: aus meiner Sicht funktioniert das demokratische System hier recht gut. Nicht perfekt, aber gut. Ich glaube eher, dass viele von denen, die sich beschweren, nicht ganz genau wissen, wie es bei uns eigentlich läuft. Bundestag wissen die meisten noch, was es ist. Bei Bundesrat hört es oft auf. Gesetze macht die Partei, die gerade an der Macht ist, einfach so. Am Bürger vorbei. Alle vier Jahre brav zur Urne wackeln, mehr dürfen wir Wahlschafe nicht. Das und noch ganz Anderes kriegt man immer wieder zu hören. Liebe Leute, bevor ihr motzt, dass es hier undemokratisch sei: schaut doch erst einmal, wie das System funktioniert. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat dazu jede Menge übersichtliches Material, sogar mit Bildchen für alle, die vom Lesen und Denken Kopfweh bekommen. Hach nein, zum Informieren habe ich keine Zeit, dass ist mir alles zu viel. Wahlprogramme lese ich auch keine, dazu fehlt mir die Lust. Das hört man übrigens auch ganz gerne mal von Leuten, die behaupten, dass es in Deutschland keine Bürgerentscheide gäbe und deshalb alles total diktatorisch ist. Zu Faul, sich alle vier Jahre mit politischen Programmen auseinanderzusetzen, dann aber bei allem direkt mitreden und entscheiden wollen? Das lasse ich mal unkommentiert. Übrigens, bei uns im Ort findet zeitgleich zur Bundestagswahl ein Bürgerentscheid statt. Voll anstrengend…

Gut, das Wahlkämpfe nicht über Inhalte, sondern über gezielte Attacken auf den Gegner geführt werden, ist nichts Neues. Dieses Jahr jedoch fällt es mir einfach nur massivst auf: plötzlich ist ein Buch, dass vorher kaum einer gelesen hat oder überhaupt wusste, dass es existiert, von größter Wichtigkeit. Abgeschrieben habe sie, die gute Frau Baerbock. Falsch zitiert! Dass die meisten der Schreihälse selber nicht wissen, wie man in wissenschaftlichen Texten zitiert, sei mal dahingestellt. Auch dass es sich nicht um eine wissenschaftliche Arbeit handelt. Es ist einfach nur ein Buch, ein inhaltlich aus meiner Sicht recht irrelevantes dazu. Das Laschet das auch gemacht hat – egal. Der Kamm ist schon geschwollen. Was dann im Internet aber zu diesem Thema zu lesen ist, hat mit Meinungsäußerung nichts mehr zu tun. Da wird beleidigt und gepöbelt. Und wenn ein Kommentar aus diesen Gründen gelöscht wir, schreien alle wieder was von Zensur und Meinungsdiktatur. Es trifft ja nicht nur Frau Baerbock, sondern so gut wie alle Spitzenkandidaten. Ich weis, das mit dem benehmen im Internet ist so eine Sache, und die Entgleisungen von Diskussionen, das raus heben aus der sachlichen auf eine persönliche Ebene ist nichts Neues. Aber so extrem wie gerade habe ich es lange nicht mehr mitbekommen. Vielleicht auch deshalb nicht, weil ich mich sonst aus Kommentarspalten fernhalte. Was ich nach der Wahl auch wieder machen werde.


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