Donnerstag, 29. Juni 2017

Aus dem Nähkästchen: Sommer, Sonne, Sonnenschein



Sommeridyll
Das Wetter ist schön, die Temperaturen hoch. Auf der Straße sehen die Leute wieder entspannter aus und lächeln öfter. Anstatt „Hauptsache, ich friere nicht“ Klamotten sieht man wieder farbenfrohe Kombinationen. Überall finden ständig irgendwelche Sommerfeiern, Stadtfeste und Kerwes statt. Unzählige große und kleine Festivals locken auch den Langhaarigen nach draußen für seine jährliche Dosis Sonne, Bier und Musik. Der Grill wird endlich wieder aus dem Keller geholt und von Juni bis September in Dauerbetrieb gehalten.
Schwimmbäder und Baggerseen laden zum planschen ein. Wer Zeit hat, fährt ans Meer und geniest das Wetter und die Wellen.
Wenn Abends dann die Gluthitze nachlässt kann man noch lange draußen sitzen und in einem Biergarten den Tag gemütlich ausklingen lassen. Sommer ist schön.
Sommer ist furchtbar. Der Biergartenbesuch wird von einer Armada der unterschiedlichsten Insekten verdorben, von denen einige ganz offensichtlich Pate von Gigers Schöpfungen sind. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Insekten, aber wenn sie mich von meinem Bier oder Grillgut fernhalten wollen, hört es bei mir mit der Toleranz auf.
Das leckere Eis beim Italiener verwandelt sich unendlich schnell in eine klebrige Masse, die überall hin tropft. Aus Genuss wird Geschmiere. In Supermärkten, Büros und öffentlichen Räumen ist oft die Klimaanlage auf Anschlag gestellt. Beim betreten kriegt man einen Kälteschock, beim verlassen läuft man buchstäblich gegen eine Wand. Und wundert sich kurz darauf, warum man sich gerade im Sommer immer wieder eine Erkältung einfängt.
Kaum hat man sich draußen drei Schritte bewegt, steht man im eigenen Saft. Und daheim? Herrscht die ganze Zeit ein diffuses Halbdunkel, da die Rollos unten sind damit die Hitze einigermaßen draußen bleibt. Trotz Sonnenschein draußen herrscht drinnen trübes Glühbirnenlicht. Trotzdem bleibt es heiß, und mehrmaliges wechseln der Klamotten ist unvermeidbar. Es gibt nur wenig unangenehmeres und widerlicheres als aus einem nass verschwitzten T Shirt zu schlüpfen. Kaum etwas lässt einen Menschen unbeholfener und unwürdiger Erscheinen als das langsame raus schälen aus dem nassen Kleidungsstück. Schlicht entwürdigend. Aber das allerschlimmste am Sommer lauert im Radio: der allgegenwärtige Sommerhit. Jahr um Jahr erscheinen hunderte austauschbarer gute Laune Lieder auf, die alle die gleiche Botschaft haben: Sommer! Sei glücklich! Tanz! Dazu ein Plastik Beat und fröhliche Melodien, am besten leicht karibisch angehaucht. Dazu noch ein Inhalts leerer Text, gerne auf Spanisch oder Portugiesisch. Hauptsache es klingt nach Sommer. Furchtbar. Auch wenn ich kaum Radio höre, dann Fernsehwerbung, Supermarktmusik und ähnlichem ist es kaum möglich, ihm zu entkommen. Es ist wie mit „Last Christmas“. Nur halt im Sommer.

Doch zum Glück gibt es Edguy. Das die Jungs sich selber nicht immer hundert Prozent ernst nehmen, ist nichts neues. Trommelnde, alles vernichtende, außerirdische Hasen oder die Empfehlung, Flugzeugtoiletten für Gymnastik Übungen zu zweit zu benutzen sprechen für sich. Und somit überrascht es auch nicht, dass sie einen - zumindest für den geneigten Metalfan- erstklassigen Sommerhit geschrieben haben. „Trinidad“ heißt das gute Stück und findet sich auf dem Album „Rocket Ride“. Auch hier gibt es karibische Rhytmen, dazu entspannte Rockende Gitarren. Tobi erzählt einem, wie schön der Sommer in Trinidad sein kann. Sommer, sonne, Strand und Pool. Ein Song, der jeden Sommerabend zu einem Kurzurlaub werden lässt. Und wenn man dem Text etwas mehr Aufmerksamkeit schenkt und hinter die Sommer Fassade schaut, erkennt man ein zuckersüßes böses Stück über eine verflossene Liebschaft. Die Kernaussage: Sommer ist da, wo du nicht bist. Jeder dürfte so einem Menschen schon mal begegnet sein. Und dann weiß man wieder: Sommer ist schön.

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