Sommeridyll |
Das Wetter ist schön, die Temperaturen hoch. Auf der
Straße sehen die Leute wieder entspannter aus und lächeln öfter.
Anstatt „Hauptsache, ich friere nicht“ Klamotten sieht man wieder
farbenfrohe Kombinationen. Überall finden ständig irgendwelche
Sommerfeiern, Stadtfeste und Kerwes statt. Unzählige große und
kleine Festivals locken auch den Langhaarigen nach draußen für
seine jährliche Dosis Sonne, Bier und Musik. Der Grill wird endlich
wieder aus dem Keller geholt und von Juni bis September in
Dauerbetrieb gehalten.
Schwimmbäder und
Baggerseen laden zum planschen ein. Wer Zeit hat, fährt ans Meer und
geniest das Wetter und die Wellen.
Wenn Abends dann
die Gluthitze nachlässt kann man noch lange draußen sitzen und in
einem Biergarten den Tag gemütlich ausklingen lassen. Sommer ist
schön.
Sommer ist
furchtbar. Der Biergartenbesuch wird von einer Armada der
unterschiedlichsten Insekten verdorben, von denen einige ganz
offensichtlich Pate von Gigers Schöpfungen sind. Grundsätzlich habe
ich nichts gegen Insekten, aber wenn sie mich von meinem Bier oder
Grillgut fernhalten wollen, hört es bei mir mit der Toleranz auf.
Das leckere Eis beim
Italiener verwandelt sich unendlich schnell in eine klebrige Masse,
die überall hin tropft. Aus Genuss wird Geschmiere. In Supermärkten,
Büros und öffentlichen Räumen ist oft die Klimaanlage auf Anschlag
gestellt. Beim betreten kriegt man einen Kälteschock, beim verlassen
läuft man buchstäblich gegen eine Wand. Und wundert sich kurz
darauf, warum man sich gerade im Sommer immer wieder eine Erkältung
einfängt.
Kaum hat man sich
draußen drei Schritte bewegt, steht man im eigenen Saft. Und daheim?
Herrscht die ganze Zeit ein diffuses Halbdunkel, da die Rollos unten
sind damit die Hitze einigermaßen draußen bleibt. Trotz
Sonnenschein draußen herrscht drinnen trübes Glühbirnenlicht.
Trotzdem bleibt es heiß, und mehrmaliges wechseln der Klamotten ist
unvermeidbar. Es gibt nur wenig unangenehmeres und widerlicheres als
aus einem nass verschwitzten T Shirt zu schlüpfen. Kaum etwas lässt
einen Menschen unbeholfener und unwürdiger Erscheinen als das
langsame raus schälen aus dem nassen Kleidungsstück. Schlicht
entwürdigend. Aber das allerschlimmste am Sommer lauert im Radio:
der allgegenwärtige Sommerhit. Jahr um Jahr erscheinen hunderte
austauschbarer gute Laune Lieder auf, die alle die gleiche Botschaft
haben: Sommer! Sei glücklich! Tanz! Dazu ein Plastik Beat und
fröhliche Melodien, am besten leicht karibisch angehaucht. Dazu noch
ein Inhalts leerer Text, gerne auf Spanisch oder Portugiesisch.
Hauptsache es klingt nach Sommer. Furchtbar. Auch wenn ich kaum Radio
höre, dann Fernsehwerbung, Supermarktmusik und ähnlichem ist es
kaum möglich, ihm zu entkommen. Es ist wie mit „Last Christmas“.
Nur halt im Sommer.
Doch zum Glück gibt
es Edguy. Das die Jungs sich selber nicht immer hundert Prozent ernst
nehmen, ist nichts neues. Trommelnde, alles vernichtende,
außerirdische Hasen oder die Empfehlung, Flugzeugtoiletten für
Gymnastik Übungen zu zweit zu benutzen sprechen für sich. Und somit
überrascht es auch nicht, dass sie einen - zumindest für den
geneigten Metalfan- erstklassigen Sommerhit geschrieben haben. „Trinidad“ heißt
das gute Stück und findet sich auf dem Album „Rocket Ride“. Auch
hier gibt es karibische Rhytmen, dazu entspannte Rockende Gitarren.
Tobi erzählt einem, wie schön der Sommer in Trinidad sein kann.
Sommer, sonne, Strand und Pool. Ein Song, der jeden Sommerabend zu
einem Kurzurlaub werden lässt. Und wenn man dem
Text etwas mehr Aufmerksamkeit schenkt und hinter die Sommer Fassade
schaut, erkennt man ein zuckersüßes böses Stück über eine
verflossene Liebschaft. Die Kernaussage: Sommer ist da, wo du nicht
bist. Jeder dürfte so einem Menschen schon mal begegnet sein. Und
dann weiß man wieder: Sommer ist schön.
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