Gespräch zu früher Stunde
Ich stolpere aus
meinem Zimmer. Die WG Party gestern war ein voller Erfolg. Nach ein
paar Stunden Schlaf melden sich meine Körperfunktionen wieder und
ich muss dringend eine Keramik aufsuchen. Die Party ist inzwischen
fast vorbei. Außer ein paar vereinzelten Grüpchen und einzelnen
Bierleichen hat sich das Wohnzimmer geleert. Draußen zwitschern
schon die ersten Vögel. Oder irgendwelche Vögel, die Sonne steht
schon ziemlich hoch. Ich schaue auf die Uhr. 10 Uhr Morgens.
Morgenstimmung ohne Kater |
Der Weg zum Bad ist
mit Flaschen und leeren Bechern gepflastert. Wie ein Storch bewege
ich mich langsam durch den Flur. Ich muss unbedingt mit dem Aufräumen
anfangen. Zumindest die Laufwege. Zu früher Stunde und mit schwerem
Kopf ist der Flur ein gefährlicher Hindernisparcours.
Deshalb führt mich
mein Weg nach dem Stopp im Bad erst mal in die Küche. Müllbeutel
besorgen. Am Kühlschrank halte ich an. Was wollte ich in der Küche?
Stimmt ja, ein Bier.
Mit einem mich
glücklich machenden „Plopp“ öffnet sich die Flasche. Ich setze
mich ins Wohnzimmer. Dort unterhält sich mein Mitbewohner angeregt
mit dem Ausschnitt einer jungen Dame. Ich kenne sie nicht, aber ganz
offensichtlich gehört sie nicht zu der Sorte Mensch, die öfter -
oder freiwillig - mit langhaarigen Bombenlegern rum hängt.
Scheinbar hat sie
den tödlichen Satz: „Für mich klingt das alles gleich.“
gebracht. Typischer Anfänger Fehler. Was folgte ist ein endloser
Monolog über die Entwicklung und inhaltlichen sowie musikalischen
Unterschieden in den verschiedenen Subgenres. Voll gespickt mit
begriffen aus dem Brockhaus für Musiker.
Als ich mich zu
ihnen setze, versucht er gerade, ihr den Unterschied zwischen Death
und Black Metal zu erklären. Ihr Gesicht spiegelt eine Mischung aus
Verwirrung und Langeweile wieder. Würde er etwas weiter nach oben
schauen, würde er feststellen, dass die Frau händeringend einen
Fluchtplan schmiedet.
Kurz entschlossen
springe ich ein. „Also grundsätzlich sind sowohl Black als auch
Death Metal in Musik gegossener purer Hass mit allen seinen einzelnen
Facetten wie Aggression, Gewalt, Wut, Ohnmacht. Dabei ist Death Metal
eher der Hass auf andere und die Welt. Krieg, Tod, Gewalt, Zombies.
Perfekte Themen für eine Death Metal Band“
„Aha. Und warum
hört man sich so etwas an?“
„Katharsis. Wenn
alles Scheiße ist. Aufdrehen. Ausrasten. Death Metal knüppelt alle
Probleme herrlich klein. Danach geht es einem viel besser.“
Sie sagt nichts.
Aber ihr Blick verrät, dass sie an meinem Verstand zweifelt. Soll
mir recht sein. Ich fahre fort. „Black Metal ist auch Haß. Aber
eher der subtile. Der Hass auf sich selbst. Dieser Klumpen, der Tief
in uns liegt und nur aus negativen Gefühlen besteht. Der mit jedem
Tag, mit jeder Scheiße die wir erleben, wächst und vor sich hin
gärt So wie sich das anfühlt, diese Mischung aus Hass und
Hilflosigkeit, so klingt Black Metal. Schwer, langsam, alles
zermürbend. Es wächst und schwillt an, bis es schließlich aus uns
heraus bricht“ Ich rede mich in Rage. Erzähle Ihr über die
Abgründe der menschlichen Seele und warum es in Musik ausgedrückt
so gut ist.
Sie trinkt den
letzten Schluck ihres Bieres. „Ok Jungs, mir reicht es.“ Sie
schaut meinen Mitbewohner an. „Ich hab zwar keinen Ton von dem, was
du gesagt hast, verstanden. Aber ich fand dich süß. Etwas seltsam
und schräg, aber süß. Hab mir überlegt, ob ich dich nach deinem
Vortrag in dein Zimmer schubsen soll. Bisschen Frühsport. Aber der
da.“ sie zeigt auf mich, „ der ist ein Eins A Stimmungskiller.
Totaler Freak. Ich finde dich echt schräg. Metaler haben wohl echt
alle einen an der Waffel.“ Sie lässt noch ein paar Bemerkungen
über mich ab, die von Fäkal Worten und Primaten vergleichen
begleitet werden. Dabei sammelt sie ihre Sachen zusammen und
verschwindet schließlich aus der Tür.
Mein Mitbewohner
schaut mich fassungslos an. „Ich glaub es einfach nicht. Du kannst
doch nicht einfach so die Monika vertreiben. Alter, ich hab sie fast
geknackt!“ Ich angle ein noch geschlossenes Bier hinter der Couch
vor und drücke es ihm in die Hand. „Tut mir leid. Aber überlege
doch mal was für Musik ihr beim Matrazensport gehört hättet.
Bieber?“ Er öffnet das Bier und schaudert dabei. „Bloß nicht.
Ich vertrage keine brutale Musik so früh am Morgen.“
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