Wühltisch
Samstag Vormittag.
Einkaufszeit. Meine Freundin und ich sind zum Bummeln in ein großes
Einkaufszentrum gefahren. Bummeln heißt, dass sie von Klamottenladen
zu Klamottenladen hetzt, Unmengen an Kleiderständern durchwühlt und
dabei über die heutige Mode lästert. Die Menschen wissen wohl nicht
mehr, wie man sich ordentlich anzieht. Und die Hersteller liefern von
Saison zu Saison seltsamere Ware. Wer glauben die soll das den bitte
anziehen?
Am Ende einer Runde
durch den Laden stehe ich dann voll gepackt mit „Fetzen“ und
„billigen Fummeln“ da. Es ist fast überstanden. Auf dem Weg zur
Kasse gibt es nur noch ein Hindernis. Der Wühltisch. Menschen können
da zu Hyänen werden. Offiziell findet meine Freundin Wühltische
überbewertet. Das andere Menschen stundenlang diese Dinger nach
Schnäppchen durchsuchen ist ihr selbstverständlich unverständlich.
Das hält sie
natürlich nicht davon ab, jedes mal an einem stehen zu bleiben. „Nur
mal kurz gucken ob was dabei ist“. Dabei bekommt sie ein Glitzern
in den Augen. Der Blick erinnert vage an den einer Katze, die in
einer Frühlingswiese sitzt. Nach kurzer Zeit fliegen einzelne Stücke
wild durch die Gegend. Dinge werden von ganz unten raus gezerrt. Mit
kurzem Blick geprüft. Achtlos zur Seite geworfen. Weiter geht die
Schatzsuche. Am anderen Ende des Tisches gehen zwei Damen ähnlich
vor. Zeitgleich greifen beide nach dem gleichen Stück. Sie halten
inne. Starren sich an. Eine lauthals geführte Diskussion, wer von
beiden jetzt als Erstes dran war, folgt. Das Gespräch nimmt rasant
an Schärfe zu. Es ist wohl das letzte Teil in dieser Farbe und
Größe. Das Gezerre und Gerangel wird heftiger. Unbemerkt gleitet
das Stück zurück auf den Tisch. Unbemerkt von den Beiden, heißt
das. Blitzschnell greift meine Freundin danach, mustert es kurz.
„Hübsch“, murmelt sie anerkennend. Sie dreht sich zu mir. „Ok,
wir können zur Kasse“ Sie schaut kurz zu den beiden Streithänen.
„Bevor sie es merken.“
Danach machen wir
eine kurze Pause. Bei einer Tasse Kaffee begutachtet sie in aller
Ruhe ihre Beutestücke. Sie sieht zufrieden aus. Ich trinke einen
Schluck. „Weist du, ich werde deine Vorliebe für Wühltische nie
verstehen“meine ich dann. „Muss so ein Frauending sein. Du ziehst
das doch eh nie an“ Sie zuckt mit den Achseln. „Du musst nicht
alles verstehen.“
Samstag Vormittag.
Einkaufszeit. Nach einem kurzen Bummel durch einen Klamottenladen
sitzen mein Freund und ich im Kaffee. Er sieht etwas genervt aus.
Beschwert sich darüber, dass ich immer so lange brauche. Und dass
ich nie an Wühltischen vorbeikomme. Immer diese Frauen und ihr Zwang
nach Schnäppchen. Aber egal, heute habe ich keine Lust auf Streit.
„Du musst nicht
alles verstehen“ antworte ich ihm. „trinke lieber deinen Kaffee
aus, dann können wir noch in den Plattenladen.“ Seine Miene hellt
sich sofort auf. Der halbe Kaffee verschwindet fast wie durch Magie.
Kurz darauf befinden
wir uns zwischen endlos scheinenden Regalen voll gestopft mit CDs.
Mein Freund geht akribisch alles durch. Dabei kann ich mir anhören,
dass Musik heute nichts mehr taugt. Das die neuen Bands alle
überbewertet sind. Und das diese und jene nach der dritten Platte
nur noch Mist machen. Am Ende hat er den Arm voll gepackt mit Cds. Es
ist fast überstanden. Nur noch der Weg zur Kasse. Mit den
Wühltischen. Er stellt sich an den Ersten. Blättert Reihe nach
Reihe durch. Mit Argusaugen sondiert er Bandnamen und Albumtitel.
Manchmal zieht er eine CD raus. Begutachtet sie. Und steckt sie
achtlos irgendwo wieder rein.Am anderen Ende des Tisches gehen zwei
Herren ähnlich vor. Zeitgleich greifen beide nach dem gleichen
Stück. Sie halten inne. Starren sich an. Eine lauthals geführte
Diskussion, wer von beiden jetzt als Erstes dran war, folgt. Das
Gespräch nimmt rasant an Schärfe zu. Es ist wohl die letzte CD. Ein
Original, kein Re- Release. Das Gezerre und Gerangel wird heftiger.
Unbemerkt gleitet das gute Stück zurück auf den Tisch. Unbemerkt
von den Beiden, heißt das. Blitzschnell greift mein Freund danach,
mustert es kurz. „Hübsch“, murmelt er anerkennend. Er dreht sich
zu mir. „Ok, wir können zur Kasse“ Er schaut kurz zu den beiden
Streithänen. „Bevor sie es merken.“
Weiterlesen: Aus dem Nähkästchen. Euphorie
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