Donnerstag, 6. September 2018

Aus dem Nähkästchen


Wühltisch


Samstag Vormittag. Einkaufszeit. Meine Freundin und ich sind zum Bummeln in ein großes Einkaufszentrum gefahren. Bummeln heißt, dass sie von Klamottenladen zu Klamottenladen hetzt, Unmengen an Kleiderständern durchwühlt und dabei über die heutige Mode lästert. Die Menschen wissen wohl nicht mehr, wie man sich ordentlich anzieht. Und die Hersteller liefern von Saison zu Saison seltsamere Ware. Wer glauben die soll das den bitte anziehen?
Am Ende einer Runde durch den Laden stehe ich dann voll gepackt mit „Fetzen“ und „billigen Fummeln“ da. Es ist fast überstanden. Auf dem Weg zur Kasse gibt es nur noch ein Hindernis. Der Wühltisch. Menschen können da zu Hyänen werden. Offiziell findet meine Freundin Wühltische überbewertet. Das andere Menschen stundenlang diese Dinger nach Schnäppchen durchsuchen ist ihr selbstverständlich unverständlich.
Das hält sie natürlich nicht davon ab, jedes mal an einem stehen zu bleiben. „Nur mal kurz gucken ob was dabei ist“. Dabei bekommt sie ein Glitzern in den Augen. Der Blick erinnert vage an den einer Katze, die in einer Frühlingswiese sitzt. Nach kurzer Zeit fliegen einzelne Stücke wild durch die Gegend. Dinge werden von ganz unten raus gezerrt. Mit kurzem Blick geprüft. Achtlos zur Seite geworfen. Weiter geht die Schatzsuche. Am anderen Ende des Tisches gehen zwei Damen ähnlich vor. Zeitgleich greifen beide nach dem gleichen Stück. Sie halten inne. Starren sich an. Eine lauthals geführte Diskussion, wer von beiden jetzt als Erstes dran war, folgt. Das Gespräch nimmt rasant an Schärfe zu. Es ist wohl das letzte Teil in dieser Farbe und Größe. Das Gezerre und Gerangel wird heftiger. Unbemerkt gleitet das Stück zurück auf den Tisch. Unbemerkt von den Beiden, heißt das. Blitzschnell greift meine Freundin danach, mustert es kurz. „Hübsch“, murmelt sie anerkennend. Sie dreht sich zu mir. „Ok, wir können zur Kasse“ Sie schaut kurz zu den beiden Streithänen. „Bevor sie es merken.“
Danach machen wir eine kurze Pause. Bei einer Tasse Kaffee begutachtet sie in aller Ruhe ihre Beutestücke. Sie sieht zufrieden aus. Ich trinke einen Schluck. „Weist du, ich werde deine Vorliebe für Wühltische nie verstehen“meine ich dann. „Muss so ein Frauending sein. Du ziehst das doch eh nie an“ Sie zuckt mit den Achseln. „Du musst nicht alles verstehen.“

Samstag Vormittag. Einkaufszeit. Nach einem kurzen Bummel durch einen Klamottenladen sitzen mein Freund und ich im Kaffee. Er sieht etwas genervt aus. Beschwert sich darüber, dass ich immer so lange brauche. Und dass ich nie an Wühltischen vorbeikomme. Immer diese Frauen und ihr Zwang nach Schnäppchen. Aber egal, heute habe ich keine Lust auf Streit.
„Du musst nicht alles verstehen“ antworte ich ihm. „trinke lieber deinen Kaffee aus, dann können wir noch in den Plattenladen.“ Seine Miene hellt sich sofort auf. Der halbe Kaffee verschwindet fast wie durch Magie.
Kurz darauf befinden wir uns zwischen endlos scheinenden Regalen voll gestopft mit CDs. Mein Freund geht akribisch alles durch. Dabei kann ich mir anhören, dass Musik heute nichts mehr taugt. Das die neuen Bands alle überbewertet sind. Und das diese und jene nach der dritten Platte nur noch Mist machen. Am Ende hat er den Arm voll gepackt mit Cds. Es ist fast überstanden. Nur noch der Weg zur Kasse. Mit den Wühltischen. Er stellt sich an den Ersten. Blättert Reihe nach Reihe durch. Mit Argusaugen sondiert er Bandnamen und Albumtitel. Manchmal zieht er eine CD raus. Begutachtet sie. Und steckt sie achtlos irgendwo wieder rein.Am anderen Ende des Tisches gehen zwei Herren ähnlich vor. Zeitgleich greifen beide nach dem gleichen Stück. Sie halten inne. Starren sich an. Eine lauthals geführte Diskussion, wer von beiden jetzt als Erstes dran war, folgt. Das Gespräch nimmt rasant an Schärfe zu. Es ist wohl die letzte CD. Ein Original, kein Re- Release. Das Gezerre und Gerangel wird heftiger. Unbemerkt gleitet das gute Stück zurück auf den Tisch. Unbemerkt von den Beiden, heißt das. Blitzschnell greift mein Freund danach, mustert es kurz. „Hübsch“, murmelt er anerkennend. Er dreht sich zu mir. „Ok, wir können zur Kasse“ Er schaut kurz zu den beiden Streithänen. „Bevor sie es merken.“

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