Wahl und Qual
Das Schöne an einem
Blog ist, dass ich als Autor so ziemlich alles tun und lassen kann,
was ich will. Schreiben, worauf ich gerade Lust habe oder über die
Kreise, die mein Gedanken Karussell mal wieder so dreht. Klar, man
gibt seinem Blog schon grundsätzlich eine Themen Ausrichtung, an die
man sich im Großen und Ganzen hält. In meinem Fall Musik, Lesen und
Wandern. Wenn ich aber der Meinung bin, dass die Welt auch mal an
anderen kruden Gedankengängen von mir teilhaben sollte: kein
Problem. Keiner der sagt: Nein, das ist Thematisch völlig fehl am
Platz! Oder: Das ist zu politisch, was sollen die Leser den denken?
Also schweife ich
diese Woche inhaltlich mal wieder komplett ab. In den letzten Wochen
häufen sich die Flugzettel in meinem Briefkasten, und es werden
immer mehr. Von den Straßenlaternen lächeln verständnisvolle
Gesichter herab. Kurze, griffige Sätze in bunten Farben werben um
meine Gunst. Es ist Wahlkampf.
Oh Gott, jetzt redet
er über Politik! Ja, so ist das nun einmal in einer Demokratie.
Jeder darf und sollte sich am politischen Prozess beteiligen. Nicht
nur, aber gerade in Wahlkampfzeiten. Dass kann jeder, wie zum Beispiel der Dunkle Parabelritter und Rezo auf Youtube demonstrieren. Damit es aber nicht nur reines Geschwurbel wird, sollte man seine Meinungen, wenn sie so spezifisch wie bei den beiden und nicht ein schnelles Gedankenpapier wie das hier sein sollen, mit Quellen und sauberer Recherche belegen. Bringt nichts, weil die da oben
eh machen, was sie wollen? Jein. Schmu treiben die Alle, und manchmal
hat man wirklich das Gefühl, zwischen Pest und Cholera zu wählen.
Aber: der Bundestag alleine macht ja nicht unsere Politik. „Die da
oben“ haben zwar so ihre Freiheiten, aber machen, was sie wollen,
können sie nur im ungünstigsten Fall. Ein Kanzler hat beileibe
nicht die Machtfülle eins französischen oder US amerikanischen
Präsidenten. Eine Frau Baerbock würde also nicht über Nacht alle
Autos verschrotten lassen und sämtliche Eigenheime in Brandt
stecken. Ein Herr Laschet würde nicht sofort 10 neue Kohlekraftwerke
ans Netz bringen. Und Olaf Scholz würde nicht- tja, was auch immer
diese farbloseste aller Kandidaten so am liebsten machen würde. Vor
allem dann nicht, wenn im Bundesrat die Mehrheiten fehlen. Egal, was
viele behaupten: aus meiner Sicht funktioniert das demokratische
System hier recht gut. Nicht perfekt, aber gut. Ich glaube eher, dass
viele von denen, die sich beschweren, nicht ganz genau wissen, wie es
bei uns eigentlich läuft. Bundestag wissen die meisten noch, was es
ist. Bei Bundesrat hört es oft auf. Gesetze macht die Partei, die
gerade an der Macht ist, einfach so. Am Bürger vorbei. Alle vier
Jahre brav zur Urne wackeln, mehr dürfen wir Wahlschafe nicht. Das
und noch ganz Anderes kriegt man immer wieder zu hören. Liebe Leute,
bevor ihr motzt, dass es hier undemokratisch sei: schaut doch erst
einmal, wie das System funktioniert. Die Bundeszentrale für
politische Bildung hat dazu jede Menge übersichtliches Material,
sogar mit Bildchen für alle, die vom Lesen und Denken Kopfweh
bekommen. Hach nein, zum
Informieren habe ich keine Zeit, dass ist mir alles zu viel.
Wahlprogramme lese ich auch keine, dazu fehlt mir die Lust. Das hört
man übrigens auch ganz gerne mal von Leuten, die behaupten, dass es
in Deutschland keine Bürgerentscheide gäbe und deshalb alles total
diktatorisch ist. Zu Faul, sich alle vier Jahre mit politischen
Programmen auseinanderzusetzen, dann aber bei allem direkt mitreden
und entscheiden wollen? Das lasse ich mal unkommentiert. Übrigens,
bei uns im Ort findet zeitgleich zur Bundestagswahl ein
Bürgerentscheid statt. Voll anstrengend…
Gut, das Wahlkämpfe
nicht über Inhalte, sondern über gezielte Attacken auf den Gegner
geführt werden, ist nichts Neues. Dieses Jahr jedoch fällt es mir
einfach nur massivst auf: plötzlich ist ein Buch, dass vorher kaum
einer gelesen hat oder überhaupt wusste, dass es existiert, von
größter Wichtigkeit. Abgeschrieben habe sie, die gute Frau
Baerbock. Falsch zitiert! Dass die meisten der Schreihälse selber
nicht wissen, wie man in wissenschaftlichen Texten zitiert, sei mal
dahingestellt. Auch dass es sich nicht um eine wissenschaftliche
Arbeit handelt. Es ist einfach nur ein Buch, ein inhaltlich aus
meiner Sicht recht irrelevantes dazu. Das Laschet das auch gemacht
hat – egal. Der Kamm ist schon geschwollen. Was dann im Internet
aber zu diesem Thema zu lesen ist, hat mit Meinungsäußerung nichts
mehr zu tun. Da wird beleidigt und gepöbelt. Und wenn ein Kommentar
aus diesen Gründen gelöscht wir, schreien alle wieder was von
Zensur und Meinungsdiktatur. Es trifft ja nicht nur Frau Baerbock,
sondern so gut wie alle Spitzenkandidaten. Ich weis, das mit dem
benehmen im Internet ist so eine Sache, und die Entgleisungen von
Diskussionen, das raus heben aus der sachlichen auf eine persönliche
Ebene ist nichts Neues. Aber so extrem wie gerade habe ich es lange
nicht mehr mitbekommen. Vielleicht auch deshalb nicht, weil ich mich
sonst aus Kommentarspalten fernhalte. Was ich nach der Wahl auch
wieder machen werde.