Donnerstag, 19. Mai 2022

Bücherkiste

 

Tonke Dragt

Turmhoch und Meilenweit


Ich habe schon immer viel gelesen. Mein Bücherregal war schon im Kinderzimmer immer voll gestopft. Von Zeit zu Zeit flog zwar mal was raus, aber im großen und ganzen kam mehr dazu. Es war ein Experiment, ob Räume nicht doch von innen größer sind, als sie von außen scheinen.

Beim ersten Umzug waren dann auch folgerichtig viele Bücherkisten dabei. Zwei Dinge habe ich damals gelernt: nicht jedes Buch ist es wert, immer wieder mitgeschleppt zu werden. Reine Bücherkisten packen nur Idioten.

Bei jedem Umzug wurde die Zahl an Jugendbüchern immer geringer. Und auch jedem Ausmisten viel der ein oder andere Kindheitsbegleiter zum Opfer. Jedes mal stand die Frage im Raum: ist das ein wirklich gutes Buch oder habe ich es aus reiner Nostalgie aufgehoben? Das Zweite war häufiger der Fall. Inzwischen befinden sich nur noch drei Bücher aus dem Raum und Zeit faltenden Regal meines Kinderzimmers in meinem Besitz: Märchenmond, Hobbit und Herr der Ringe – ja, das gilt als eins – und eben Turmhoch und Meilenweit.

Dabei erinnere ich mich, dass es mir als Jugendlicher nur so halb gefiel. Und ich es schon mehrmals weggeben wollte, aber immer in letzter Sekunde es doch noch behalten habe. Zum Glück, inzwischen gehört es nämlich zu meinen absoluten Lieblingsbüchern.

Als Kind hatte Edu einen Roboter auf einem Flohmarkt gekauft. Wirklich funktioniert hat er nicht mehr, aber er konnte ein Gedicht über Wälder aufsagen. Wälder, die es auf der Erde schon lange nicht mehr gibt. Jahre später wird Edu Planetenforscher und lässt sich auf die Venus versetzen. Zum zweiten mal. Freiwillig. Dadurch gilt er bei seinen Kollegen schon als Sonderling, ihrer Meinung nach lassen sich nur besonders beförderungswillige Menschen zweimal auf diesen Höllenplaneten versetzen. Oder Wahnsinnige. Die Sicherheit der Kuppel verlassen sie so gut wie nie. Die Erforschung des Planeten erfolgt über Raumgleiter aus sicherer Höhe. Das ist Edu nicht genug. Auf einem Erkundungsflug entschließt er sich, zu Fuß die Fremde Landschaft zu erkunden. Der Planet fasziniert ihn. Und dort gibt es Wälder...

Die Geschichte von Edu lässt sich wunderbar als klassischer Planetenroman lesen. Ein Abenteuer auf einer fremden Welt. Ruhig geschrieben, ohne große Aufregung und gemächlich im Tempo. Aber dennoch fesselnd und spannend. Zum anderen steckt auch eine Geschichte über das Anderssein und die Angst der Gesellschaft vor Veränderung in dem Buch. Klassischer Jugendliteratur Stoff eben.Wer Science Fiction mag, die etwas tiefgründiger als Captain Future ist und dennoch primär unterhalten will, sollte mal einen Blick riskieren.

Donnerstag, 5. Mai 2022

Mein CD Regal

 

God Dethroned

Passiondale

 


 


Ihr wisst ja, ich schreibe nicht immer über die CDs, die ich hier vorstelle. Oftmals ist ja auch schon von vielen verschiedenen Seiten alles Relevante zu der Band oder dem Album gesagt worden, sodass eine weitere Track by Track Review den Mehrwert eines Spar- Menüs bei der Burgerkette eures Vertrauens hat. Deshalb halte ich diesen Teil heute mal kurz: God Dethroned. Death Metal. Geil. Nicht die Neuerfindung des Rads, aber super präzise und extremst wirkungsvoll. An dieser Stelle komme ich dann meist zu den subjektiven Seiten der CD. Wie ich auf sie aufmerksam wurde. Ob ich ein besonderes Live Erlebnis damit verbinde. Oder warum mir ein Album, das einfach mies ist von allen objektiven Standpunkten aus betrachtet, soviel Freude macht.

Lasse ich heute auch mal weg, sondern nutze die Zeilen, um ein paar meiner Gedanken zum zentralen Thema der Platte auf das virtuelle Papier zu bringen: Krieg.

Der erste Weltkrieg, die Urkatastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts. Nicht der erste und bei weitem nicht der letzte Konflikt der Menschheit. Aber einer der prägendsten: Grabenkämpfe, Giftgasangriffe, die ersten Panzer. Die Technik, die den Menschen in eine Ära der Vernunft leiten sollte, erweist sich als Büchse der Pandora.

Zugegeben, God Dethroned sind bei weitem nicht die erste Metal Band, die das Thema aufgreift. Aber sie machen es verdammt gut. Es gibt kein Sieg, kein Ruhm, nur den Tod. Mit diesen Textzeilen macht der Opener schon ganz am Anfang die Sinnlosigkeit des Krieges deutlich. Und so geht es weiter – Schlamm, Matsch, Angst. Urin, Seuchen, Giftgas. Textlich und musikalisch einfach dargestellt und genau dadurch sehr beklemmend. Heldengeschichten aus alten Kriegstagen? Hier Fehlanzeige.

Was mir besonders gut an diesem Kriegsgemälde gefällt: der Pathos fehlt.

Und da kommen wir zu einer anderen Band, die deutlich mehr Erfolg hat und thematisch ein ähnliches Feld schon einige Jahre lang emsig beackert: Sabaton. Ja, auch ich habe ein Album im Regal stehen. Ja, das gefällt mir recht gut. Ja, sie bringen sowohl einige geschichtliche Randthemen als auch Metal Musik an eine breitere Masse. Dennoch stoßen mir die Schweden sauer auf. Und das liegt hauptsächlich an ihrem Pathos. Natürlich, der gehört zum Powermetal dazu. Ein Song ohne Glory, Hero und Valor wäre kein Powermetal Song. Solange es dabei um Drachen töten und Jungfrauen retten geht, ist das auch passend. Immerhin ist jeder von uns noch ganz tief unten ein jugendlicher, der sich nach Aufregung und Abenteuer sehnt. Im Fantasy Kontext ist das absolut legitimer Escapismus. Im Kriegskontext? Uh, da finde ich es echt schwierig. Katastrophen und Leid werden da zu epischen Heldentaten stilisiert. „Hurra, es ist Krieg.“ Gerade zum jetzigen Zeitpunkt für mich echt schwierig. „Aber das ist doch wichtig, bei Sabaton lernt man Geschichte!“ - achja? Lest lieber vernünftige Geschichtsbücher.