Donnerstag, 27. Juni 2019

Bücherkiste


Felix Huby

Bienzle stochert im Nebel



Es ist wieder soweit. Der Sommer holt zum ersten großen Schlag aus. Das Thermometer klettert in den roten Bereich. Das Gehirn arbeitet nur noch mit minimaler Leistung. Und körperliche Anstrengung? Schon nach ein paar Schritten steht man im Wasser, japst nach Luft und fühlt sich irgendwie flüssig.
Aber es hat ja auch seine schönes Seiten. Es ist Abends noch lange hell, und so kann man nach der Mittagshitze raus, ins Schwimmbad oder an einen See. Zugegeben, meistens ist man nicht der Einzige mit dieser Idee. Hin und wieder kann man dann auch mal Platzangst bekommen, ohne das es Wände oder enge Räume dazu benötigt. Die Becken sind meistens so voll, dass der Bewegegungsradius nur für etwas planschen reicht. Aber immerhin, ein bisschen Abkühlung. Dazu ein gemütliches Schattenplätzchen zum trocknen, faul rum liegen und den Trubel beobachten. Hat man dann noch ein unterhaltsames Buch dabei, ja dann ist der Sommer für mich perfekt.
Da ich immer noch ein E- Book Reader Verweigerer bin, spielt bei der Auswahl meiner Unterwegs Lektüre weniger der Inhalt, als vielmehr der Umfang des Buches eine Rolle.
So war ich – auch wenn ich nicht der allergrößte Krimi Freund bin – hoch erfreut, als mir im städtischen Bücherregal „Bienzle stochert im Nebel“ in die Hände fiel.

Vorderbach. Ein Dorf mitten im Schwäbischen Wald. Als irgendwo zwischen „Nichts“ und „Ende der Welt“. Ruhig. Beschaulich. Und mit zwei Mordopfern innerhalb kürzester Zeit. Zwei Junge Frauen, verdacht auf Sexualdelikt. Der Stuttgarter Kommissar Ernst Bienzle übernimmt den Fall. Er nimmt sich ein Zimmer im Dorfgasthof. Er unterhält sich zwang und ziellos mit den Leuten. Er trinkt gerne mal sein Viertele. Ist das schon ermitteln?
Wer die Tatort Reihe kennt, kennt sicher auch Filme mit Bienzle. Er ermittelt mit schwäbischer Gelassenheit und ohne hochdeutsch. Am auffälligsten ist dabei, dass er eigentlich wenig macht. Er redet. Er beobachtet. Er denkt nach. Er scheint gemütlich, etwas träge. Und genau das macht diesen Kommissar für mich so sympathisch. Bei „Bienzle stochert im Nebel“ entwickelt sich der Fall eigentlich nur durch seine Anwesenheit. So weiß der Sägewerk Besitzer sofort, dass es ja nur einer vom Reha Hof gewesen sein kann. Jeder hat dem Bienzle was zu erzählen. Und er hört zu.
Ein kurzes, unterhaltsames Buch, Perfekt für den Lese Nachmittag im Sommer. Der Fall ist einigermaßen verzwickt, ohne zu kompliziert zu sein. Der ländliche Schauplatz, einige Brocken schwäbischer Mundart und nette Nebencharaktere runden das ganze ab. Ein bisschen was zum schmunzeln, ein bisschen was zum knobeln. Ein Buch, in dem eigentlich nicht viel passiert. Und das dennoch Spaß macht.
Der Roman ist übrigens 1983 erschienen. Also lange bevor die Schwemme an Land Krimis losgetreten wurde. Inzwischen gibt es wohl kein ländliches Idyll mehr, in dem nicht schon gemordet und gemeuchelt wurde. Egal ob im Schwarzwald, auf der schwäbischen Alb oder in Gegegenden, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Überall ermitteln mehr oder weniger skurrile Ermittler in mehr oder weniger bizarren Fällen in landschaftlich schöner Lage.
Bienzle machte das schon, bevor es cool wurde.

Donnerstag, 20. Juni 2019

Mein CD Regal


Orden Ogan

To the End

 




Ich habe mich schon mal darüber ausgelassen. Youtube ist ein seltsamer Ort. Einer, der Zeit geradezu zu verschlingen scheint. Man wollte ja nur mal eben das neue Musikvideo einer ganz arg tollen Band schauen. Warum ist es draußen schon dunkel? Und, was zur Hölle, hab ich mir danach den alles für sinnfreies Zeugs angeschaut? Youtube ist nicht nur ein schwarzes Loch für Zeit, auch Gehirnzellen scheint es magisch aufzusaugen. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum ich schon wieder auf diesen seltsamen Reaction Videos hängen geblieben bin. Ihr wisst schon, Videos in denen man Leuten dabei zuschaut, wie sie Videos schauen. Nüchtern betrachtet eine echt dämliche Beschäftigung. Aber ach, das geht ja nur ein paar Minuten. Und oh schau mal, das ist eines zu einem richtig schrägen Musikvideo, das man gerade erst selber geschaut hat. Und hier eines zum neuesten meiner Lieblingsband. Und da. Klick. Klick. Klick.
Draußen wieder dunkel.
Ein kleiner Trost: manchmal stolpert man tatsächlich über Sachen, die in der eigenen Sammlung schlummern und die man schon eine Weile fast vergessen hat. Letztens eben Nightwish mit der „Once“.

Neulich waren Orden Ogan mit ihrem 2012er Album „To the End“. Ein älterer Herr und sein Sohnemann haben sich das Video zu „The Things we belive in“ angeschaut und dabei geistreiche Kommentare wie „amazing“ und „Holy shit“ vom Stapel gelassen. Beide waren sichtlich angetan.
Tatsächlich war das Video damals das Erste, was ich von der Band bis dahin mitbekommen habe. Wäre eine Kamera mitgelaufen, es hätte ähnlich dämlich ausgesehen wie bei den beiden. Und wäre genauso geistreich gewesen.
Zufällig bin ich bei – richtig - Youtube über die Jungs gestolpert.Das Musikfernsehen war schon lange tot, aber dieses Internet entwickelte sich rasant zu einer Alternative. Immer mehr Bands und Labels nutzten die neue Plattformen, um ihre Videos und Musik der Öffentlichkeit zu präsentieren. Es rettete quasi das Format des Musikvideos. 

Eine nette Endzeitoptik, ein fetter Sound und ein schnörkelloser Power Metal Song: das Video zu „The Things we believe in“ hat mir sofort gut gefallen, der Song hing wochenlang in meinem Ohr fest und ich wusste genau, das Album musste ich haben. Kurz darauf hielt ich die CD in meinen Händen. Kitschiges Band Logo, kitschiges Cover Artwork. Schon vor dem ersten hören wusste ich: das kann nur gut werden. Zumal ich eh mal wieder mitten drin in einer Power Metal Phase steckte. Das passiert mir immer wieder mal.
Kurzes Intro, dann Vollgas. Schnelle Gitarren, Double Base bis zum Anschlag, mehrstimmige Refrains. Pfeilschnelle Gitarren Soli, Orchestrale Zwischenparts. Eine Ballade zum Luft holen. Vollgas. Powermetal. Punkt. Für Freunde dieser Musik ein Fest, für alle anderen wohl eher die Bestätigung, das Powermetal nur aus Kitsch, Pathos und Klischees besteht. Musikalische Begleitung zum Plastikhammerschwingen bei Larps.

Das Album ist mit einer richtig fetten Produktion versehen. Was es auf Platte zu einem richtig mächtigen Stück Sound werden lässt, live allerdings die Band vor ein paar Probleme stellt. Vielleicht hatten sie hatten damals auch nur einen schlechten Tag. Oder ich.

Das Rad wird bei Orden Ogan nicht neu erfunden, die Songs klingen wie aus dem Lehrbuch für Powermetal. Hier eine Priese Blind Guardian, da mal etwas Helloween und ein Schuss Iced Earth. So einfach kann gute Musik sein. Das richtig Starke daran: oftmals Verlieren solche Bands etwas, wenn man das Album am Stück hören will. Dann klingt es manchmal etwas eintönig oder austauschbar. Dieses – meist subjektive – Gefühl hab ich bei „To the End“ nicht – das kann ohne zu langweilen von vorne bis hinten durchlaufen. Und wieder zurück. Eine für mich wirklich schöne Zufallsentdeckung.

Donnerstag, 13. Juni 2019

Bücherkiste


Arne Lysch

Der nasse Fisch

 


Berlin 1929. Der junge Kommisar Gereon Rath wird von Köln zur Sitte nach Berlin versetzt. Kaum in Berlin angekommen, wird Rath in seiner Wohnung von einem Fremden überfallen. Zeitgleich gibt eine Leiche der Berliner Mordkommission ein verzwicktes Rätsel auf. Als Rath zwischen beiden Vorfällen eine Verbindung erkennt, ermittelt der ehrgeizige Kommissar auf eigene Faust weiter. Er sieht seine Chance gekommen, von der Unliebsamen Sitte zur Mordkommission berufen zu werden. Dabei Rutscht er immer Tiefer in einen Sumpf aus Drogen, Intrigen und Korruption.


„Der Nasse Fisch“ ist die Comic Adaption des gleichnamigen Romans von Volker Kutscher. Ein geradliniger, fast nüchterner Zeichenstil, der in den richtigen Momenten mit Details protzt, und eine trockene Erzählweise erzeugen eine passende Atmosphäre, die einen geradezu in das Berlin der 1920er Jahre eintauchen lässt.
Schulunterricht, Geo Epoche und einige Überblickwerke: mein Kontakt mit der Weimarer Republik war immer relativ nüchtern und trocken. Neben den ganzen Zahlen, Daten und Fakten hat sich bei mir besonders Eines eingeprägt: die absolute Widersprüchlichkeit der jungen Republik. Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise und Hunger auf der einen Seite. Dekadenz, eine blühende Filmlandschaft und ein vor allem in Berlin sündhaftes Nachtleben auf der anderen Seite. Außenpolitische Fortschritte und zaghafte Schritte aus der internationalen Isolation standen innenpolitisches Chaos und teilweise Bürgerkriegsähnliche Zustände auf den Straßen gegenüber. Ein Tanz auf dem Vulkan.
Diese Widersprüchlichkeit fängt „Der Nasse Fisch“ wunderbar ein. Das Berlin in den unruhigen Zeiten bildet die perfekte, düstere Kulisse für den etwas verzwickten Krimiplot. Handlung und Atmosphäre haben mich komplett überzeugt. Eine wunderbare Comic Adaption, die mich auf die Romane neugierig macht.
Übrigens, wem die Handlung bekannt vorkommt: Der Roman war ebenfalls die Vorlage für die Serie „Babylon Berlin“. Bei seinem Werk handelt es sich aber laut dem Zeichner nicht um den Comic zur Serie, sondern um eine davon komplett unabhängige Adaption, die einfach nur zeitnah erschienen ist.

Donnerstag, 6. Juni 2019

Mein CD Regal


Arven

Music of Light

 

 

 


Bei dem Erstling der Frankfurter handelt es sich um ein solides, auf gesamter Spiellänge jedoch etwas langatmiges Stück Power Metals. Garniert mit ein bisschen Orchester Einschlag und einer Priese Folk. Gefunden auf einem Wühltisch, rein gehört wegen - ich gebe es offen zu, eine ziemlich pimatenartige Entscheidungsgrundlage – der fünf adretten Damen auf dem Cover und mitgenommen.
Das Besondere an Arven: mit Ausnahme des Schlagzeugers sind alle Musikinstrumente von Frauen besetzt. Gesang, Bass, Gitarren, Keyboard. Auch die Songs stammen allesamt aus der Feder von Gitarristin Anastasia Schmidt. Ihr findet das nicht erwähnenswert? Stimmt, ich eigentlich auch nicht. Es sollte nicht erwähnenswert sein. Es ist ja auch keiner aus dem Häuschen, das Metallica aus vier Jungs besteht, die nicht nur Ihre Instrumente halten, sondern auch noch Songs schreiben können. 

Frauen treten heutzutage nicht mehr nur als hübsche Deko des Sängers und der Band in der Rock und Metal Welt in Erscheinung. Immer mehr drängen sie auch auf die Bühnen, als Sänger oder eben Musiker. Nightwish, Holy Moses oder Nervosa: die Liste erfolgreicher Bands, bei denen eine oder mehrere Frauen dabei sind, wächst stetig. Talent spielt dabei immer mehr eine wichtigere Rolle als einfach nur hübsches Aussehen. Das hängt natürlich auch zu einem Teil damit zusammen, dass die Heavy Metal Szene an sich ziemlich in der Gesellschaft angekommen ist. Das Bild der biertrinkenden, grölenden Jungs die Geschrei mit Musik verwechseln ist längst überholt. Hat früher eine Kutte dafür gesorgt, dass man immer Platz in der Fußgängerzone hatte, so sorgt sie heute kaum mal mehr für kritische Blicke. Heavy Metal zu hören ist nicht mehr so böse, abschreckend und asozial wie früher. Der Zugang zur Szene ist einfacher geworden. Und damit auch automatisch die Anzahl an Frauen, die sich dafür interessieren und damit auseinandersetzen. Sowohl in der Fanmenge bei Konzerten als auch auf der Bühne.
Eine absolut positive Entwicklung. Wenn ich bock auf Metal habe, sollte es mir möglich sein, ein Instrument zu lernen und in einer Band zu spielen. Ob ich Brüste habe oder ein Gehänge zwischen den Beinen – oder beides - sollte dabei keine Rolle spielen.
Einer Gitarre zum Beispiel hört man es nämlich nicht an, welches Geschlecht ihr Spieler hat. Wohl aber ob die Person es kann. Oder nicht.

Gut, ewig gestrige können jetzt behaupten, dass die etwas kitschige Art des Metals eh gerne von Frauen gehört wird und somit es ja nicht verwunderlich sei, dass Arven genau so etwas liefern. Orchester, Drachen, ein bisschen Herzschmerz und Romantik. Typischer Weiber Kram halt.
Kitsch spielt im Metal, besonders in der Schublade „Power“, schon immer eine große Rolle. Bands wie Rhapsodie oder Kamelot schaffen das schon seit Jahrzehnten ganz ohne Frauen. Nein, Arven machen keinen typischen Weibermetal.
Sondern einen soliden, aus meiner Sicht auf Dauer etwas abwechslungsarmen Powermetal. Einzelne Stücke wie „Midwinter Nights“ oder „Raise Your Cups“ sind für mich richtig gute Songs, die in jede Powermetal Playlist passen. Totalausfälle gibt es für mich keine. Für ein Debut ist das eine beachtliche Leistung.