Donnerstag, 4. März 2021

Bücherkiste

Robert A. Heinlein

Fremder in einer fremden Welt


Eselsohren. Ein eingerissenes Deckblatt. Leichte Wellen als Folgen mindestens einer Regendusche.Man sieht es ihm direkt an: dieses Buch habe ich deutlich mehr als einmal gelesen. Heinleins „Fremder in einer Fremden Welt“ gehört für mich persönlich zu dem engen Kreis der Romane, die mit jedem mal lesen Stück für Stück sich mir mehr erschließen. Dabei weiß ich bis Heute immer noch nicht so genau, was ich von dem Buch halten soll. Wie eigentlich bei allen Sachen von Heinlein, dass ich bisher gelesen habe.

Valentine Michael Smith ist eine Sensation: der einzige Überlebende der ersten Marsmission kehrt nach Hause auf die Erde zurück. Da er bei der Landung noch ein Baby war, wurde er von Marsianern aufgezogen. Die haben ihn gelehrt, mit seinem Geist für Menschen unvorstellbare Dinge zu machen. Dadurch wird er für die Regierung und das Militär zum brisanten Forschungsobjekt. Eine junge Dame jedoch findet dass das kein Menschenwürdiges Leben ist und verhilft ihm zur Flucht. So landet er in der Obhut von Jubal Harshaw, der schnell eine Vaterrolle für ihn annimmt und versucht, Mike das „Mensch sein“ näher zu bringen.

Das wirklich spannende an dem Roman ist Mike, der völlig Vorurteilsfrei, quasi „unbefleckt“, auf die Menschheit trifft. Zu beobachten, wie er das Mensch sein für sich lernt und mit seiner marsianischen Sicht kombiniert macht den Spaß an dem Buch aus. Seine Reaktion auf etwas für uns selbstverständliches wie zum Beispiel Lachen und Humor bringen einen dazu, diese Punkte aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. 

Wenn man sekundär Literatur über „Fremder in einer fremden Welt“ liest, erfährt man, dass dieser zum ersten mal 1961 erschienene Roman vor allem in der Hippie Szene auf große Resonanz gestoßen ist. Das überrascht nicht, immerhin werden Themen angesprochen, die damals eine zentrale Rolle gespielt haben, wie Monogamie, Religion und Geld.

Grundsätzlich finde ich, dass auch heute noch der Roman definitiv Lesenswert ist. Gut? Nun ja. Wie Anfangs schon erwähnt, manches hinterlässt einen schalen Geschmack oder ist absolut untragbar aus heutiger Sicht. Eine der Protagonistinnen findet, dass Frauen immer eine gewisse Teilschuld bei einer Vergewaltigung haben, und Homosexualität wird als unnatürlich beschrieben. Selbst wenn man den zeitlichen Rahmen, in dem das Buch entstanden ist und somit das damalige Frauenbild und die gesellschaftlichen Konventionen vor Augen hat, ist dass starker Tobak. Auch der im Buch angesprochene entspannte Umgang mit Sexualität und Liebe lässt für mich Fragen offen. Hat der Autor wirklich die Ansicht, dass das starre Monogame System den Menschen einschränkt und ein offener Umgang damit die Gesellschaft voranbringt? Oder ist es eher eine schmutzige Herrenphantasie, in welcher der Mann immer noch zentral dominiert und nun halt anstatt einer mehrere ihm hörige Frauen hat? Auch mehrmaliges Lesen hat mir persönlich keine Antwort darauf geliefert.

Generell hat bisher jeder Heinlein Roman bei mir ein bisschen Bauchweh hinterlassen. „Starship Troopers“ mit seiner faschistisch militärisch geprägten Gesellschaft. „Die Katze, die durch Wände geht“ mit seinem seltsamen Protagonisten, der eine fragwürdige Einstellung zur Sexualität hat. Das allerdings machen Heinleins Werke für mich gleichzeitig so reizvoll: egal ob er jetzt nur Billig Provozieren will oder wirklich Diskussionen anstoßen, seine Bücher sind definitiv immer mehr als nur reine Unterhaltungsromane und zwingen einen, auch über teilweise einem selbst falsch erscheinenden Konzepte nachzudenken. Er zerrt einen aus seiner eigenen Komfortzone. Bei „Fremder in einer fremden Welt“ bin ich mir jedoch immer noch nicht sicher, ob er mich persönlich nicht zu weit da hniauszieht. Auf der einen Seite ist die Idee, die Menschheit durch zwar menschliche, aber völlig unbefangene Augen zu betrachten, spannend und erzählerisch absolut fesselnd gemacht. Auf der anderen Seite sind jedoch viele der aus dieser Beobachtung resultierende Handlungen Mikes im besten Falle fragwürdig. Somit ist „Fremder in einer fremden Welt“ definitiv keine leichte Kost. Besonders der zweite Teil, als Mike sein erlerntes Wissen über die Menschheit nutzt und eine neue Religion gründet, ist stellenweise zäh und sperrig. Dennoch – oder auch gerade deswegen – lese ich es immer wieder gerne. Schließlich muss man ja nicht zwingend mit dem Autor und seinen Ansichten einer Meinung sein.


Anmerkung: Die mir vorliegende Ausgabe ist die ungekürzte Fassung von 1991

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